Stadtgespräch Nummer eins ist in St.Gallen die Neugestaltung des Marktplatzes und die mögliche Entfernung der beliebten CALATRAVA-HALLE. Der Platz sollte belebt sein, lautet der Wunsch und in diesem Zusammenhang wurden schon italienische Plätze als Vorbild genannt.
Auch in Siena würde die CALATRAVA-HALLE stören – nur: da fahren keine Busse durch...
Die armseligen Holzmarkstände geben schon seit Jahren keine gute Figur mehr ab. Deren Ersatz war Auslöser für die Stadt, sich neue Überlegungen zum Marktplatz und Bohl zu machen. Letztes Jahr wurde ein Gestaltungswettbwerb durchgeführt. Das erkorene Siegerprojekt «Josy und Orazio» der St.Galler Architekten ARMIN BENZ, MARTIN ENGELER und NORA BOTHE polarisiert nun aber. Erstens hielten sie sich nicht gänzlich an die Vorbedingungen und zweitens räumen sie den Bohl von der CALATRAVA-HALLE frei. Seither stürmt's in der Stadt. Die von MARCUS DEEPDEEPBLUE WALTENBERG initiierte FACEBOOK-Gruppe «CALATRAVA-HALLE St.Gallen muss bleiben & mehr Bäume auf den Marktplatz» zählt über 3500 Mitglieder – Tendenz steigend, eine Gegengruppe namens «CALATRAVA-Halle abreissen – lieber heute als morgen» erst deren 36.
Welcher Gedanke steckt eigentlich hinter der Absicht, das erst 13 Jahre alte und 850'000 Franken teure Buswartehaus bereits wieder zu entfernen? Im Jahr 2000 wurde es den St.Gallern erstmals bewusst. Um den Meistertitel ihres FC zu feiern, war der zentrale Marktplatz zu klein und zu verstellt. Das Problem zeigt sich auch, wenn für Events Bühnen am Waaghaus errichtet werden. Die Halle stört. Aber: eine gedeckte Buswartehalle ist unabdingbar. Würde eine andere weniger stören? Würde sie besser aussehen? – Nein.
Das Siegerprojekt des Wettbewerbs sieht nun vor, alle wettergeschützten Bereiche des Platzes, also Buswartebereich, Marktstände und den Abgang zur Tiefgarage in einem Gebäude zusammenzufassen, so dass der Bohl ein freier Platz werden kann. An sich eine gute Idee. Als Vorbild werden grosse belebte Plätze in Italien genannt, wie z.B. die Piazza del Campo von Siena. Ein schöner Platz mit Gefälle gegen ein Zentrum, ohne Bäume und Bänke. Ein guter Platz braucht sowas nicht. Man stelle sich vor, Pärchen sitzen auf Stufe oder auf dem Boden, schauen dem Treiben zu und sind mit sich selbst beschäftigt, Skater üben, eine Gruppe diskutiert engagiert und andere geniessen die Sonne im Strassencafé. Schön oder? Später wird es dunkel, die Temperatur ist mild, die Zeit vergeht – auch nachts ist in Siena viel los. Soweit so gut, lebendiger Platz – ein schönes Konzept. Doch in einer Stadt, wo um 22 Uhr Ruhe zu herrschen hat, jedes Tischchen seinen Platz hat, unerwünschte Gruppierungen aufgelöst werden können und trotz zwei Busspuren immer noch weitere für Autos zur Verfügung stehen müssen, ist Siena unmöglich – daher ist auch nicht einzusehen, warum eine CALATRAVA-HALLE für etwas geopfert werden soll, das die Stadt nur in Konzeptplanungen wünscht, in der Realität aber verwünscht und behindert.
Der Marktplatz/Bohl wird leider nicht von den schönsten Fassaden umgeben, er ist aber gross und könnte mondän wirken. Flächige Baumplantage stehen einem Platz entgegen, Markt und Buswartehallen eigentlich auch. Zu einem funktionierenden Busbetrieb gehören aber überdachte Warteräume. Und wenn die Haltestelle aus betrieblichen Gründen auf dem Bohl sein muss – was das Siegerprojekt missachtet, gehört dort auch ein Dach hin und dann bitte das bestehende Weltstädtische, kein spiessiges Holzdächli.
Neben der Buswartehalle auf dem Bohl hat der spanische Stararchitekt SANTIAGO CALATRAVA in St.Gallen weitere Bauten realisiert: der Pfalzkeller im Regierungsgebäude, die Kantonale Notrufzentrale und ein unscheinbares Unterführungsdach in St.Fiden (Bild links).
(Veröffentlicht im TREND MAGAZIN, 2009-05)