2010 sagte das St.Galler Stimmvolk klar Ja zur Städteinitative und somit zum Reglement für nachhaltige Verkehrsentwicklung. Diese verlangt u.a., dass das künftige Verkehrswachstum auf Stadtgebiet durch den Öffentlichen Verkehr sowie den Velo- und Fussverkehr (Langsamverkehr) aufgefangen wird. Ein Kapazitätsausbau der Strassen wird nicht mehr möglich sein. FDP, CVP, SVP, Autolobby und Gewerbe haben nun ihre «Mobilitätsinitative» lanciert. Diese möchte das nach Annahme der «Städteinitiative» geschaffene Verkehrsreglement durch ein neues, autofreundlicheres ersetzen, also Strassen wieder ausbauen dürfen. Doch das ist platzmässig kaum mehr möglich.
Die "Totale Stadt" von Fritz Haller
Geld für einen Ausbau der Strassen fehlt
Vergleich mit US-Städten im Verbrauch von Flächen für MIV und Parkierung
Brasilia (Bild oben) oder Dubai (Bild unten) wurden von Anfang an für Autos konzipiert. Autobahnen und mehrspurige Strassen erschliessen jedes Quartier. Lichtsignalkreuzungen gibt es keine, da Linksabbiegen (eine Hauptursache für Staus) grösstenteils vermieden wird.
Deutsche Städte wurden nach den Zerstörungen im 2. Weltkrieg autogerecht wieder aufgebaut. Beispielhaft aus Sicht des motorisierten Individualverkehrs ist Halle-Neustadt (Bild unten).
Die Autowelle erfasste in den 1960er Jahren natürlich auch St.Gallen. Der Zeitgeist liess die neue gewonnene Freiheit hochleben. Der öffentliche Verkehr wurde zurückgedrängt. Der Autoverkehr wuchs. Die Rorschacher Strasse war bis zur Eröffnung der Autobahn durch St.Gallen bis 1987 vierspurig.
In der unteren Neugasse wurde parkiert. Auf der Marktgasse bewegten sich Fussgänger auf schmalen Trottoirs fort. Erst in den 1980er-Jahren begann ein Umdenken. Mit dem Bau der Autobahn versprach man sich Abhilfe. Doch die Geister, die man rief, wurde man nicht mehr los. Der Verkehre verlagerte sich zwar auf die Autobahn, nahm aber insgesamt weiter zu – schliesslich war nun in der gleichen Zeit mehr Distanz zurücklegbar.
Die Generation der 1960er- und '70er-Jahre darf für jene Fehlentscheide nicht verurteilt werden – wir hätten wohl unter ähnlichen Voraussetzungen gleich gehandelt. Schlauer ist man immer nachher.
Die Forderungen der Initianten der Mobilitätsinitiative klingen bescheiden. Gleiche Spiesse für alle Verkehrsmittel – man soll die freie Wahl haben. Entsprechend sind die Kapazitäten für alle Verkehrsmittel bereitzustellen. Weil im Idealfall die Vorteile des Autos überwiegen, nimmt der Autoverkehr zu. Dher müssen neue Kapazitäten, also Parkhäuser und Zufahrten geschaffen werden. Wollen wir wieder vier Spuren auf der Rorschacher Strasse?
Mehr zur Parkgarage Schibenertor hier
Ich unterstelle auch den Autokreisen der Stadt aus FDP, CVP, SVP und Gewerbe nicht, dass sie St.Gallen mit der von Gegnern auch "Stauinitiative" genannten Vorlage zurück entwickeln wollen. Doch ihre Ideen aus Parkhäusern und Tunnels sind Insellösungen. Das Problem der Knoten bleibt. Es würde gar anwachsen, denn Staus sind die Folge von Kreuzungen und zu dicht angefahrenen Fahrzielen. Um Staus endgültig zu vermeiden, bedarf es kreuzungsfreier Verzweigungen und Parkplätze, die in genügender Zahl und verlangter Zeit die erforderlichen Autos dort aufzunehmen vermögen, wo deren Fahrer hinwollen. Neben den Hotspots sind das aber auch alle anderen Gebäude, in denen gelebt, gearbeitet, eingekauft oder die Freizeit verbracht wird. Das funktioniert nur in in Städten wie Brasilia oder noch radikaler: in der «Totalen Stadt» von Visionär Fritz Haller, dem Erfinder der bekannten USM-Möbel. So wie seine Möbel aus Stangen und Eckkugeln plante er seine Stadt.
Beispiel: Spange Güterbahnhof, Tunnel bis Liebegg: Gemäss aktuellen Absichten, würde die ganze Strasse unterirdisch zu liegen kommen. Aus Sicherheitsgründen und wegen den aktuellen Vorschriften müssen zwei richtungsgetrennte Röhren gebaut werden. Das Projekt ist also vergleichbar mit der Ostumfahrung von Biel. Diese wird nach aktuellem Stand 1.2 Mia. Franken kosten (gemäss Astra). Dies ergibt einen Kilometerpreis von 260'000'000 Franken! Eingerechnet ist ein vollwertiger Anschluss. In St.Gallen wäre der Anschluss Güterbahnhof hingegen vollständig ebenfalls im Boden. Dazu kommt noch eine zweiröhriger Stichtunnel zur Geltenwilenstrasse. Das wird also noch teurer!
Wer wird das bezahlen? Für die erste Tranche stellt der Bund 5.5 Mia. Franken für die Engpassbeseitigung auf den Nationalstrassen (PEB) bereit. Es ist nicht anzunehmen, dass davon 1/4 nach St.Gallen fliessen werden. Kanton und Stadt werden das nie stemmen können und die Appenzeller würden sich ohnehin nicht beteiligen.
Mehr zur Spange Güterbahnhof und Tunnel bis Liebegg hier
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will nicht, dass unser Stadtzentrum nicht mehr mit dem Auto erreicht werden kann. Die Lösung zu finden, wie im Zentrum weiterhin auch Waren gehandelt werden können, deren Transport nur mit Autos möglich ist, ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam meistern müssen. Ideen sind gesucht. Brechen wir z.B. innerstädtische Freizeit- und Pendlerfahrten unter 3km weg, wären manche Probleme entschärft.
Vergleich mit US-Städten im Verbrauch von Flächen für MIV und Parkierung