Die Erschliessung des neuen Gewerbeparks Wil-West bedingt den Bau neuer Strassen. Dazu gehört auch ein zusätzlicher Autobahnanschluss. In diesem Zusammenhang wird das ganze Verkehrskonzept geändert. Soweit so gut. Doch ein Blick auf die Planung verrät: Da sind keine Velofahrerinnen oder Fussgänger am Werk.
Foto: wilwest.ch
Dieses Bild sieht idyllisch aus. Auf den ersten Blick stören sich wenige daran. Ich schon.
Die sogenannte Dreibrunnenallee ist die neue Hauptverbindungsstrasse von Wil nach Sirnach. Sie bedient auch den neuen A1-Anschluss Wil-West. Da sie komplett auf den Territorium des Kantons Thurgau liegt, ist dieser für die Planung zuständig.
Ein ähnliches Konzept hat der Thurgau bereits in Arbon realisiert. Auch die «neue Kantonsstrasse», die Stickereistrasse, besteht dort aus je einer MIV-Spur, getrennt durch einen Grünstreifen. Velo- und Fussverkehr – im Thurgau wohl immer noch unter dem Begriff «Langsamverkehr» zusammengefasst – teilen sich einen gemeinsamen Weg.
Auch bei der Stickereistrasse in Arbon setzte der Kanton Thurgau auf einen Grünstreifen zwischen den Richtungsfahrbahnen und verbannte die Velofahrenden in die Fussgängerzone aufs Trottoir. Besser wäre ein Radstreifen auf den jeweils um soviel breiteren MIV-Fahrbahnen.
So könnten gefährliche Knotenausbildungen vermeiden werden. Die rote Belagseinfärbung ist das Eingeständnis der Verkehrsplanenden, dass man hier offenbar mit Vortrittsmissachtung gegen Velofahrende auf der Hauptstrasse zu rechnen hat.
Die Schwierigkeit, Kreuzungspunkte für Radfahrende klar und sicher auszubilden, zeigt sich an der misslungenen und sehr gefährlichen Kreiselanbindung. Mit konventionellen Radstreifen wäre diese Situation unmissverständlich.
Um diese Situation zu entschärfen, werden inzwischen Velofahrende vor besagtem Kreisel auf die MIV-Fahrbahn verwiesen. Man beachte die Markierungen im Bild. Selbige ist jedoch zu schmal ausgeführt, was Autofahrende verleiten kann, über ein knappes Überholmanöver nachzudenken. Geübte Radlende sperren ab und lassen sich behupen, um so einer knappen Vorbeifahrt entgegenzuwirken.
(Fotos: Swisstopo)
Ein Blick in den Plan von Wil West lässt vermuten, dass auch alle anderen «separat geführten Fuss- und Radwege» kombiniert sind. Diese Lösung ist völlig realitätsfremd.
Können all diese Verkehrsteilnehmenden auf dem selben Weg konzentriert werden? Und dies im Gegenverkehr?
Für Zufussgehende ist dies sicher unbequem. Die Situation kennen alle. Man spaziert nebeneinander und ist in ein Gespräch verwickelt. Wie nervig ist es, wenn dann von hinten eine Veloklingel zu hören ist?! Das ist auch für Velofahrende unschön.
Velofahrende gehören nicht auf Trottoirs
Darum: Velofahrende gehören innerorts auf einen Radstreifen neben die Fahrbahn des MIV. Dort haben sie freie Fahrt – was auch von ihnen mehr geschätzt wird, als ständig abbremsen zu müssen und um Hindernissen kurven zu müssen. Nebenbei ist diese Lösung auch linksabbiegefreundlicher, da dies im fliessenden Verkehr möglich und somit zeitsparender ist. Für unsichere bleibt immer noch die Option, via Fussgängerstreifen die Strasse zu überqueren.
Die andere Lösung wäre: separate Velowege sind mit Trottoirs auszustatten, wenn diese auch von Zufussgehenden benützt werden. Oder: Der Fussverkehr bleibt gänzlich verboten. Nicht jede direkte Veloverbindung bringt auch Vorteile für den Fussverkehr.
Das obige Bild mag «nur» eine Visualisierung eines noch nicht detailliert ausgearbeiteten Projekts sein. Dies sei auch nicht die primäre Veloroute. Man mag mir vorhalten, meine Detailkritik komme zu früh. Doch wann soll sie denn kommen? Wenn die Detailpläne erstellt sind? Dann klingt es von der gleichen Richtung, ich sei zu spät. In der Behandlung des Geschäfts in den Kantonsräten? Dort gehören solche Detailfragen nicht hin und deswegen könne man doch nicht ganz Wil-West versenken. Verstehe ich.
Aber wo und wie kann man sich denn sonst gegen Fehlplanungen wehren? Auch den Velo- und Fussverkehrsverbänden bzw. ihrer Basis, scheint dieses Problem noch zuwenig bewusst. Sie orientieren sich gefühlt immer am 15 km/h-fahrenden Velos mit Kinderanhängern. Wenn das Velo zum Massenverkehrsmittel werden soll, ist Umdenken angesagt. Zudem vermögen diese Wegli den gewünschten Verkehr dereinst nicht ohnehin mehr zuschlucken.
Wie verkrustet die Idee mit dem Mix von Velo- und Fussverkehr ist, zeigt dieses Zitat von Andreas Schuster, Bauverwalter in Romanshorner, im einem Artikel in der Thurgauer Zeitung zum Thema "Die Stadt will einen umweltverträglichen Verkehr fördern": «Mit Mittelzonen, Baumalleen, breiteren Trottoirs für Fussgänger und Radfahrer, Tempo 30, könnte man die Strasse aufwerten.» – Auch er fährt wohl nur Auto...
«Langsamverkehr» gibt es nicht