Das Veloweggesetz des Bundes ist in Kraft, nun spriessen sie wie wild aus dem Boden – die Radwegprojekte. Die Vorstellungen und Wünsche der Velolobby sind gross, genannt werden Vorbilder wie København oder Amsterdam. Gefordert wird entlang aller städtischen Hauptachsen eine zusätzliche, dritte Ebene zwischen Trottoirs und MIV-Fahrbahn. Doch effektiv befriedigend ist diese Lösung nicht für alle Radfahrenden. Ich bin dankbar, dass sie in der Schweiz nicht in erster Priorität steht. Ich hoffe, das bleibt so.
Besuche in deutschen Städten, wo dieses Prinzip ebenfalls weit verbreitet ist, zeigen es auf. Die Nachteile solcher abgetrennter Velofahrbahnen sind nicht von der Hand zu weisen.
Die oft durch Randsteine und andere Hindernisse baulich begrenzte Breite lässt ein Überholen nicht zu (Bild: München). Dabei ist der Geschwindigkeitsunterschied unter Radfahrerinnen und Radfahrern im Verhältnis wesentlich grösser als unter den Autofahrenden. Ebenfalls ist das Ausweichen bei Hindernissen, wie zum Warenumschlag abgestellte Fahrzeuge oder verirrter Fussverkehr, schwierig.
Ambitioniert baute und baut die bayrische Landeshauptstadt Radwege. Man wird den Verdacht nicht los, dass es hier nur darum geht, die lästigen Zweiräder von den Strassen zu bringen. Die baulich abgetrennten Radwege sind unbefriedigend. An ein schnelles Vorwärtskommen ist nicht zu denken. Als Radfahrer fühle ich mich nicht ernst genommen.
Wege mit Ecken. Die Richtgeschwindigkeit ist wohl unter 10 km/h. Auf der MIV-Fahrbahn wären 30 km/h möglich.
Das Problem mit dem magelnden Warteraum vor Lichtsignalen wurde erkannt. Aber warum müssen Velofahrende überhaupt einer Seitenstrasse Vortritt gewähren?
Städte mit breiten Boulevards haben mehr Möglichkeiten, separate Radwege anzulegen. Wenn soviel Platz da ist, sind auch weniger Hindernisse im Weg.
Berlin: Die Nutzung dieser indirekten Linksabbiegespuren muss gelernt sein. Die vorgesehenen Radien sind kaum fahrbar. Ich verzichte gerne und spure lieber mit den Autos ganz links ein.
Arbon: Ein paar Meter weiter kommt diese konfuse Situation. Da hat sich niemand etwas dabei gedacht. Sie ist für alle Verkehrsteilnehmenden absolut unbefriedigend. Auch hier: Benützungspflicht.
Horn (TG): Der internationale Bodenseeradweg wird auf einem Trottoir geführt, mit Gegenverkehr! Dazu Warnungen vor Hofeinfahrtsverkehr.
Ziegelbrücke: Signalisierter Wanderweg (3, "Alpen-Panorama-Weg") und signalisierte Veloroute (9, "Seen-Route")
Reichenburg (SZ): Von rechts kommend hat man als Linksabbieger 2 mal eine Strasse zu überqueren und sich für ein paar wenige Meter mit Fussverkehr zu mischen. (Bild Swisstopo)
Kreuzlingen: Im Thurgau sind Radstreifen auf Trottoirs weit verbreitet. Damit wird weder Fussgängern noch Velofahrerinnen ein Gefallen gemacht.
St.Gallen: Ein schmales Trottoir mit Wellenbelag an der Oberstrasse. Obwohl nicht vorgesehenen, muss auch mit Fussverkehr gerechnet werden. Überholen nicht möglich. Immerhin: Die Stadt hat das Problem erkannt.
Rapperswil-Jona hat "viel" in den Veloverkehr investiert. Gegenverkehrs-Radwege, viele Randsteine, teilweise Pflästerung, keine genügende Trennung vom Fussverkehr. Geplant von Nichtvelofahrenden.
Beide Fahrtrichtungen auf einer Strassenseite zusammen zu fassen, ist ziemlich undurchdacht und birgt Unfalllisiken.
Rapperswil-Jona: Wenn das keine Konflikte gibt – gemeinsame Wartebereiche für Fuss- und Radverkehr. Auch durch diese Kreuzung ist man auf der MIV-Fahrbahn wesentlich schneller.
Flüelen (UR): Die Fahrt durch den Kreisel wird Velofahrenden nicht zugetraut. Stattdessen wird man durch einen kurvenreichen Parcours mit Querverkehr geschickt, der sich im Vortritt glaubt.
Visualisierung aus dem Projekt Wil West: Im Thurgau sieht man die bauliche Trennung von kombinierten Geh-Radwegen sogar innerorts als Ideallösung. Wil West wird als "velofreundlich" verkauft. Mitnichten.
Ungeübten steht immer die indirekte Querung der Strasse offen.
Das Credo der Veloverbände: separate Spuren immer rechts der MIV-Fahrbahn anzulegen, hat auch an den Knoten gewaltige Nachteile. Ein Abbiegen ist nur noch an vorgesehen Stellen möglich, ausser man überfährt einen harten Randstein.
In den Niederlanden werden bei Knoten oft parallel zu den Fussgängerstreifen Velofurten erstellt. Dies ergibt dann eine Art Velokreisel um die Kreuzung der MIV-Fahrbahnen – ein Kreisel allerdings mit, wie in obigem Beispiel, acht Kein-Vortritts. Natürlich sind diese Furten oft Lichtsignal geregelt. Doch verlängern sich dadurch die Knotendurchfahrzeiten nur noch mehr.
Das direkte Linksabbiegen ist Velofahrenden im 21. Jahrhundert anscheinend nicht zuzumuten und darum baulich auch nicht vorgesehen. Dabei sind routinierte Radlende durchaus in der Lage, im fliessenden Verkehr MIV-Spuren zu queren und sich darin einzuordnen. Das Bundesamt für Strassen Astra scheint den Wunsch für schnelles, direktes Linksabbiegen erkannt zu haben. Es hat diese Empfehlung kreiert:
Doch 20m reichen bei weitem nicht für eine Spurquerung im fliessenden Verkehr. Wenn man aufgrund mangelnder Distanz genötigt ist, Lücken im Verkehr abzuwarten, verliert man erstens viel Zeit und begibt sich zweitens in höhere Gefahr beim Anfahren aus dem Stand. Folglich muss man sich dann wieder das Argument anhören, dass es doch besser wäre, den indirekten Linksabbieger zu verwenden. Die 20m müssten mindestens 50m sein – oder eben besser keine bauliche Trennung zwischen Velo und Auto.
Je mehr entflechtet wird, desto seltener fahren Velofahrende im Mischverkehr und desto weniger werden jene, die sich für die schnellen Fahrt auf den MIV-Spuren entscheiden, respektiert oder überhaupt noch wahrgenommen. Man wird also, auch wenn es keine Benützungspflicht gibt, auf die Velo-Schleichwege am Strassenrand oder auf dem Trottoir vertrieben.Ich bevorzuge klar die «Schweizer Lösung», kürzester Weg, schnellste Durchfahrzeit. Mit der «Kopenhagener Lösung» kann ich leben. Sie braucht nicht mehr Platz. Den angebotenen indirekten Linksabbieger muss man nicht nutzen. Ich würde mich in die MIV-Spur einordnen. Die niederländische Lösung wäre für mich schwierig. Die bauliche Trennug des Radwegs lässt ein Ausbrechen fast nicht zu.
Ich sehe ein, dass das aufgrund des Sicherheitsbedürfnisses vieler Velofahrenden die Entflechtung eine Lösung sein kann. Doch darf dies nicht auf Kosten jener erfolgen, die sich Routine angeeignet haben und darum lieber den Mobilitätsvorteil des Velos ausnützen und die schnellen Wege benützen.
Und gilt es bei begrenzter Fläche zu wählen zwischen Begrünung oder Radwegen bzw. -streifen, bin ich für die Bevorzugung von Bäumen. Auch Kurzparkplätze am Strassenrand für das Gewerbe haben ihre Berechtigung, wenn Parkhäuser in der Nähe fehlen.
Auf den ersten Blick mag die Lösung links überzeugen. Doch sie hat erhebliche Nachteile – auch für Radlerinnen und Radler. (Foto pd)
Fotos: Markus Tofalo
Gehen schnelle Velofahrende vergessen?
Velos gehören nicht auf Trottoirs