Nach drei Vorlagen, etlichen Stellungnahmen, Partizipation uns Mitwirkungsverfahren hat die Stadt nun das Projekt Marktplatz finalisiert. Gut so. Diskutiert wurde lange genug, jetzt wollen wir endlich einen herzeigbaren Platz. «Marktplatz 2024» überzeugt.
Visualisierung des nun zur Ausführung bestimmten Marktplatzprojekts (Bild: Planergemeinschaft PG Vadian)
Auch ich habe in der Vergangenheit viel Detailnörgelei betrieben, zuletzt bei der letzten Mitwirkung via meine Partei. Einiges wurde aufgenommen, Vieles nicht, z.B. der fehlede Eventplatz oder dass die Dächer filigraner sein sollten, so wie im Wettbewerbsprojekt. So erging es wohl auch anderen. Den Verantwortlichen der Stadt oblag nun die Aufgabe, aus allen Eingaben den finalen Plan zu erstellen.
Die Drehung der Marktpavillons um 45 Grad gegenüber dem Wettbewerbsprojekt bringt zusammen mit den mobilen Ständen eine schöne Marktsituation. Die Verkleinerung finde ich auch deshalb richtig, weil nun der eigentlich kleine Platz etwas grösser erscheint.
Die unversiegelte Pflästerung ist richtig, die Definition als Begegnungszone auch. Markierte Routen für Velos wären hier ein Fehler. Mann muss mit einem Rad lediglich legal durchkommen, auch während Events oder Weihnachtsmärkten. Das ist aktuell nicht der Fall. Ich hätte mir eine platzdefinierende Ornamentik gewünscht, doch im Alltag hätten diese ohnehin die Wenigsten wahr genommen.
Mehr Bäume: Das ist sicher richtig. Hitzeminderung ist unsere grosse aktuelle Herausforderung. Dies wurde mir nicht zuletzt bei meiner Arbeit für «Grünes Gallustal» bewusst.
Die Bushaltestellenverschiebung muss sein, auch wenn sie schmerzt. Das Argument mit der Geometrie hat mich mehr überzeugt als mögliche Rückstaus vor dem Brühltor.
Mit dem Marktplatz scheint die Stadt nie glücklich gewesen zu sein. Der Abbruch des alten Rathauses 1877 schuf Platz. Nach Jahren der Diskussion um den Bau eines neuen Rathauses wurden Pläne für ein solches auf diesem Gelände mit der Realisierung des Turm beim Hauptbahnhof endgültig begraben. In den 1930ern wurde der inzwischen herangewachsene Park gerodet und mit der Zeile Acrevis-Marktplatz-Hörnli der Ring der alten Altstadt wieder etwas geschlossen. Dies spurte die aktuelle Gestaltung des Marktplatzes mit der Rondelle, den Hüttchen und den Bäumen aus den 1950ern vor.
Dem Auto wurde Platz geboten und wieder entnommen.
Eine sanfte Auffrischung erfuhr der Bohl 1996 mit dem Bau der Buswartehalle von Santiago Calatrava. Allseitige Zufriedenheit mit dem zentralen Platz der Stadt herrschte aber auch damals nicht. Gewerbe und bürgerliche Kreise verlangten nach der Jahrtausendwende nach einer Neugestaltung mit einer Parkgarage. Die Stadt nahm den Ball auf, zumal sich auch bezüglich Werkleitungen Unterhalts- und Sanierungsdruck anstaute.
Der ersten Marktplatzvorlage von 2011 trauert heute niemand mehr nach, obwohl damals alle bis auf eine Partei dem Projekt zugestimmt haben. Die Markthalle war zu gross – die vorgesehene Zweifrontenbedienung hätte ohnehin nicht funktioniert –, der Abbruch der 850'000 Franken teuren Calatrava-Halle und die Parkgarage vereinten Neinsager aus allen Lagern. Die Mitarbeit in der Nein-Kampagne war bis dahin mein grösstes politisches Engagement in dieser Stadt.
2009: Marktplatz ohne Calatrava-Halle?
2015 die 2. Vorlage: Basis war ein romantisiertes Marktbild aus Ständen, in Reih und Glied aufgestellt, mit der Rondelle als Zentrum. Kein ständiger Markt mehr. Die Calatrava-Halle blieb stehen. Ein Grund zur Ablehnung waren hohe Kosten für den Umbau des Taubenlochgarage zu einer Eventhalle und die für manche überkandidelte öffentliche WC-Anlage. Ich störte mich vor allem an der Bushaltestelle Richtung Hauptbahnhof. Das Taubenloch könnte aus meiner Sicht auch, zusammen mit dem Erdgeschoss des Uniongebäudes, eine Markthalle sein, um den Platz zu beleben. Die Nutzung als Bibliothek würde diesen Zwecke ebenfalls erfüllen. Auch dieses Projekt wünscht man sich nicht mehr zurück.
2016: «Plan B» des Komitees «für einen vernünftigen Marktplatz»
Die Parkgaragenidee wurde vorerst privat weiter verfolgt. Erschreckende Visualisierungen und gut begründete Einsprachen brachten das fragwürdigen Vorhaben dann schliesslich doch zu Fall.
Das darauf folgende partizipative Verfahren der Stadt war wertvoll. Im Dialog musste auch ich die Notwendigkeit dieser Bushaltestellenverschiebung akzeptieren. Den ständigen Markt wollte man nicht aufgeben. Die Calatrava-Halle ist zwar völlig überdimensioniert. Das Frühwerk des inzwischen internationalen Architekturstars gilt inzwischen als Ikone und darf nicht mehr entfernt werden. Dies sah eine Mehrheit ein.
2017: Markthalle
2018: Doch mit versetzten ÖV-Haltestellen?
2018: Platzrestaurant statt Mulde
Für den 3. Anlauf setzte die Stadt auf einen Wettbewerb, der sich auf die konzeptionelle Ebene beschränkte. Meinen Vorschlag publizierte ich hier, auf meiner Website. Nach dem Vorbild historischer des Merian-Plans von 1638 stellte ich anstelle der «Metzg», welche auf dem dort stand, wo heute die Rondelle ist, mein Irahaus hin, benannt nach dem Bach darunter oder dem Tor, das einst daneben stand. Dieses Haus sollte das unförmigen Platzgebilde in drei rechteckige Plätze mit jeweils verschiedenen Funktionen gliedern und durch sein offenes Erdgeschoss doch wenig Grundfläche beanspruchen. Über die Architektur machte ich mir keine Gedanken – darum ging es (noch) nicht.
2017: Eine vielleicht verrückte Idee
Überraschend bekam ich auch von unerwarteter Stelle Lob für diese Idee, verbunden dem Vorwurf, warum ich nicht am Wettbewerb teilgenommen hätte. Unbestritten hätte ich diesen ohnehin nie gewonnen. Doch rückblickend hätte ich teilnehmen sollen, denn wegen des nicht verlangten Tiefgangs hätte sich der Aufwand in Grenzen gehalten.
2019: Marktplatz III – viel besser, aber...
2020: Ja zu Marktplatz III, trotz allem
Ich wünsche mir, dass diese ohne Misstöne und ohne Einsprachen von sich geht und wir 2028 den Platz einweihen können.
Die offenen Fragen wie der nicht repräsentative Zugang vom Brühltor her oder die Nutzung des Waaghauses können unabhängig von diesem Projekt angegangen werden. Dies gilt auch für die Bibliothek.
Neugestaltung Marktplatz und Bohl auf er Website der Stadt St.Gallen