Die Zeiten, wo breite Schneisen für den Durchgangsverkehr durch Dörfer geschlagen wurden, sind vorbei. Aktuelle Betriebs- und Gestaltungskonzept beabsichtigen, den Strassenraum aufzuwerten, mehr Raum für den Fussverkehr zu finden und sichere Radwege oder -streifen anzulegen sowie mehr Grün zu schaffen. Die ersten Studien sehen meistens gut aus. Doch die Projekte enttäuschen oft, wie das Beispiel Steinach zeigt.
Trostlos: Die Hauptstrasse von Steinach
Die Idee war, schmalere Fahrbahn, breitere Trottoirs, Bäume, mehr Aufenthaltsqualität – einem Dorfzentrum würdig. (Bild: Strittmatter Partner AG, Gemeinde Steinach)
Gegenüber dem ambitionierten Projekt, welches auf der Website der Gemeinde vorgestellt wurde, stellt die vom Kanton ausgearbeitete Version eine Kapitulation gegenüber dem Verkehr dar. Mittelinseln sind bei über 5000 Autos pro Tag und 50 km/h die Norm, Platz für Bäume bleibt keiner. (Bild: Tiefbauamt Kanton St.Gallen)
Das gleiche Projekt wie oben, aber mit zusätzliche Begrünung.
Den Mittelstreifen könnte man streichen, wenn die Hauptstrasse in diesem Bereich auf Tempo 30 signalisiert würde. Dies hätte zugleich eine Lärmreduktion zur Folge, wodurch auf teure bauliche Lärmschutzmassnahmen wie wenig dauerhafte Flüsterbeläge oder Lärmschutzfenster (die nur wirken, wenn sie geschlossen sind) verzichtet werden könnte. Das Bundesgericht stützt Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme.
Die meisten der unten genannten Massnahmen richten sich an die Gemeinde. Die Fahrbahn als solche wird nicht tangiert, mit Ausnahme der Trottoirüberfahrten. Allgemein wünschenswert wäre ein schräg gelegter Randabschluss anstelle des genormten RN12 mit Wasserstein.
Einige der untenstehenden Massnahmen stellen kantonale Normen in Frage. Normen sind nicht zwingend festgeschrieben. Sie zu überdenken, ist nach geänderten Voraussetzung nötig.
Mehr Bäume entlang der Hauptstrasse. Die gewonnen Fläche durch Reduktion der Fahrbahnbreite kann dazu genutzt werden, Bäume zu pflanzen. Diese Pflanzung kann am Fahrbahnrand, am Parzellenrand oder durch Ermunterung oder Finanzierung auf der angrenzenden Privatparzelle der Anstösser erfolgen.
Bäume auf dem Mittelstreifen. Unmöglich ist das nicht, siehe Hauptstrasse Staad, Richtung Altenrhein. Diese Bäume tragen zusätzlich zu Temporeduktionen bei.
Hauptstrasse durch Staad (SG)
Steinach fehlt ein Zentrum, das als solches wahrgenommen wird. Die Strasse mit den Trottoirs führen als Band hindurch. Auch mit den aktuellen Plänen wird dem nur teilweise entgegengewirkt. Zumindest bei den Trottoirs müsste das nicht sein.
Die Ausbildung von Plätzen mit differenziertem Belag und gezielt akzentuierter Form bricht das Strassenband und schafft Aufenthaltsbereiche. Durch den Einbezug der Anstösser lässt sich viel gewinnen – auch in deren Interesse. Geschäftsräume an attraktiven Lagen gewinnen an Zulauf. Wo das angrenzende Land der Gemeinde gehört, sollte dies ohnehin kein Problem darstellen.
Steinach fehlt ein Dorfplatz. Mit dem Bau des neuen Parkplatzes wurde die Chance vertan, aber nicht verunmöglichst. Der Dorfbrunnen wirkt in dieser Situation aber verloren und bedeutungslos. Die gestrichelten Linien deuten eine mögliche Dorfplatzbegrenzung an. Diese Idee ist inzwischen überholt, im Ansatz aber immer noch möglich.
Plätze sind definiert durch den Belag, einen Fixpunkt – z.B. einen Brunnen oder eine Platzlinde – und die Begrenzungen, also Fassaden oder Baumreihen. Fett schwarz in der Skizze sind Fassaden, welche platzbestimmend sein können. In der Planung zusammen mit den Anstössern sollte auf eine stärkere Platzwirkung hingearbeitet werden, auch durch geänderte Baulinien und Grenzabstände.
Sie sind es nicht an sich, sondern in der Art, wie sie auf den MIV ausgerichtet sind.
Dadurch, dass sie über die gesamte Breite der einmünden Strasse verlaufen, suggerieren sie, dass diese Strasse in ihrer gesamten Breite dem MIV gewidmet ist. Weil diese aber über keine Trottoirs verfügt, ist dem nicht so. Der Fussgänder verlässt mit Überqueren der Trottoirüberfahrt den Fussverkehrsbereich.
Tatsächlich werden Schöntalstrasse, Gallusstrasse, Otmarstrasse und Weidenhofstrasse von MIV, Velo- und Fussverkehr gemischt benützt. Indem man die Trottoirüberfahrt nicht bis in die Ränder zieht, also die Trottoirebene in die Querstrasse fliessen lässt, stellt man klar, dass sich auf der einmündenden Strasse Fussverkehr und MIV die Fläche teilen.
Dadurch befinden sich das Trottoir der Hauptstrasse und die Fläche der einmündenden Strasse auf der gleichen Ebene. Es ergibt sich also keine Rampe mehr. Die Ausbildung dieser «Rampe» wäre somit eben. Vorbild für die Gestaltung können die Querrinnen in Rorschach sein, die im Rahmen des Projet urbain ausgeführt wurden.
Ist trotzdem eine Führungslinie für den MIV nötig, wie im Fall des Knotens Schulstrasse, so kann dies durch eben eingelassene Führungssteine erfolgen, so dass die Fächel als ganze nicht geteilt wirkt.
Dass Quartierstrassen über keine Troittoirs verfügen, ist ohnehin kein Nachteil. Das Vorhandensein von Trottoirs schafft auf der MIV-Fahrbahn freie Fläche, eine Bahn, die zu höheren Geschwindigkeiten verführt – es ist ja mit weniger «Hindernissen» zu rechnen.
Dass mit dem Velo auf gemischten Flächen mit dem MIV gefahren werden muss, ist kein Problem. Das Fahren im gemischten Strassenverkehr sollte nachwievor zur Grundausbildung von Velofahrenden gehören. Eine Entflechtung innerorts ist teuer, kostet Platz und schafft zusätzliche Versiegelung.
Velofahrende wünschen sich hingegen weniger ruppige querlaufende Randsteinausbildungen, besonders bei Trottoirüberfahrten.
Der Sammelbegriff für Velo- und Fussverkehr suggeriert eine Einheit dieser beiden Verkehrsarten und verführt zur Anlage von Mischzonen. Tatsächlich sind die Geschwindigkeitsunterschiede beträchtlich. Mischzonen, kombinierte Geh-/ Radwege, werden sowohl von Velofahrenden also auch von Zufussgehenden wenig geschätzt. «Langsamverkehr» als Sammelbegriff für Fuss- und Veloverkehr eignet sich nicht und sollte somit nicht verwendet werden.
Was hier nach viel Bäumen aussieht - Horn hat es so umgesetzt.
Gutes Beispiel: Horn hat seine Hauptstrasse auf 6.30m reduziert, das minimal nötige, zugunsten breiterer Trottoirs und Bäumen. Bemerkenswert: Hier führt der internationale Bodenseeradweg durch. Trotzdem wird auf radstreifen verzichtet. Es ist zumutbar, auf ca. 250m hinter Velofahrenden herzufahren. So reduziert sich die Geschwindigkeit, ohne signalisierte Beschränkung.
Umgestaltung von Strassenräumen nach "Grünes Gallustal"
18. Strassenbauprogramm des Kantons St.Gallen