Anfang 2017, vor dem ersten Forum zum Marktplatz. Die Positionen scheinen festgefahren. In einem sind sich alle einig: Der Platz als Zentrum der Stadt ist ungemütlich, schmuddelig und nicht einladend. Das muss sich ändern. Doch wie?
Mein Ansatz: Vielleicht braucht es eine mutige Idee, auch wenn sie nur als Umweg zur Lösung dient. Mehr dazu weiter unten.
Ideen und Grafiken: Markus Tofalo
Die ÖV-Haltestelle gehört auf den Bohl
Flexible Nutzung des Marktplatzes
Ein Haus definiert die drei Plätze
Geschichte: Hier stand schon früher ein Haus
Ein schöner Platz mit hoher Aufenthaltsqualität und Ausstrahlung hat eine definierte Form, einen Belag, der sich auf seine Form bezieht, umlaufende Fassaden mit öffentlicher Erdgeschossnutzung, einen Bezugspunkt – das kann ein Baum, ein Brunnen oder ein Kunstobjekt sein – sowie einen Aufenthaltsbereich, einen Verkehrsbereich und eine Freifläche. Beispiele gibt es genug – aber nicht in unserer Stadt.
Das hier hinzukriegen wird schwierig...
Parkplätze, ober- oder unterirdisch, sind keine Option mehr. Die Entfernugn von den umliegenden Garagen zum Marktplatz sind nicht weiter als die Gehdistanzen innerhalb der Shopping-Arena, siehe Grafik auf der Website der Grünliberalen (zur Mitte Scrollen).
Ich freue mich, im Marktplatzforum meinen Beitrag leisten zu können. Die Basis bildet für mich unser Plan B des Komitees Vernünftiger Marktplatz. Im Sinn eine Gesamtlösung möchte ich mich jedoch flexibel zeigen und auf andere Argumente eingehen.
Meine Vision für einen neuen Marktplatz-Bohl stellte ich bereits hier vor.
Daran und an die Ergebnisse der städtischen Umfrage anknüpfend hier weitere Ausführungen und Gedanken zu einzelnen, mir wichtigen Brennpunkten.
Eine Verschiebung vom Bohl auf den Marktplatz ist nicht zwingend. Bis vor kurzem wurde eine Versetzung der Fahrtrichtung Westen von der Stadt als Vorgabe formuliert. In der Fragestellung der Umfrage relativierte sie dies erstmals. Was spricht gegen eine Verschiebung?
Das Waaghaus eignet sich nicht als Markthalle, weder für einen ständigen, noch für einen temporären Markt. Gründe dagegen sind die Anlieferung und der Umstand, dass bei durchschnittlicher Standgrösse vielleicht 3 Gemüse-Anbieter Platz finden würden.
Aussen könnte sich der Markt nicht fortsetzen. Selbst bei Entfernung der Calatravahalle ist der Platz begrenzt durch die ÖV-Spuren, den Langsamverkehrsbereich und die Aussenwirtschaft der Gaststätten. Die Fläche des Marktplatzes lässt sich hingegen bis zur Fassade für einen Markt nutzen.
Die bisherige Nutzung beider Geschosse sollte beibehalten werden. Weiter bin ich gegen eine Unterkellerung. Diese ist überproportional teuer.
In ihrer Grösse ist diese Garage vergleichbar mit der Markthalle von Artà auf Mallorca. Als solche könnte sie auch genutzt werden. Allerdings empfiehlt sich ein zweites Geschoss, also eine Teilüberbauung des Blumenmarktes. Wenn diese transparent gestaltet würde, könnte durch eine grosse Öffnung viel Tageslicht in das Untergeschoss gelangen. Eine Öffung des Erdgeschosses der anliegenden Gebäude zum oberen Geschoss der Markthalle könnte die Frequenzen erhöhen, sowohl für den Markt, als auch für jetzt bestehenden und teilweise leer stehenden Ladenflächen, was für die Liegenschaftsbesitzer nicht uninteressant wäre.
Natürlich müsste das Raumprogramm auch eine öffentliche Toilette beinhalten. Eine andere Idee wäre die Teilnutzung als öffentliche Velogarage. Es ist abzusehen, dass die Anzahl Abstellplätze für Velos schon bald nicht mehr ausreichen wird und die Plätze sollten auch nicht als Parkplatz für Zweiräder herhalten.
Mehr zur Idee Markthalle auf dem Blumenmarkt hier
Das Problem des Platzes: Die Fassaden von Bank, Restaurant Marktplatz und Hörnli sind geschlossen und abweisend
Dieser Umstand wird verstärkt durch das Platzgefälle gegen sie. Auch der schönste Belag kann diesen Probleme nicht lösen. Die Pflanzung einer zweiten Baumreihe entlang der Fassade, wie in der Marktplatzvorlage von 2015 vorgesehen, könnte diesen Punkt entschärfen.
Effektvoll wäre auch ein fassadenseitige Anhebung des Platzes. Die Möglichkeit wäre vorhanden, denn die Erdgeschosse der Häuser liegen ca. einen Meter höher. Natürlich würde dies auch Umbauarbeiten an den Liegenschaften erfordern.
Zugegeben, hier finde auch ich keine perfekte Lösung. Möglich wäre die Führung auf der Mittelspur zwischen beiden ÖV-Spuren. Allerings bin ich sonst ein Gegner der Benützung von ÖV-Spuren durch Velos. Hier kämen zudem Tramgleise hinzu.
Was ich nicht wünsche, ist eine zweite Strasse durch alle Plätze. Eine solche fragmeniert das Gebilde nur noch stärker. Im Rahmen einer Velobahn/-strasse durch die Stadt sollte die Altstadtdurchquerung besser durch naheliegende Gassen geführt werden, wobei dabei kein wesentlicher Umweg entstehen darf, da die Route sonst nicht genutzt würde.
Sie ist ein willkommener Mittelpunkt, ein Teiler des grossen Platzgebildes. In diesem Sinne muss sie erhalten werden.Die städtische Denkmalpflege schreibt über sie in «Architektur der Nachkriegszeit in der Stadt St.Gallen»: «Wie zeitlos und flexibel die Architektur der 1950er-Jahre sein kann, zeigt sich am Beispiel der neuneckigen Marktrondelle (1952,
Stadtbaumeister Paul Biegger). Dieser feingliedrige Pavillon konnte allen Marktplatzprojekten trotzen und ist heute beliebter denn je.»
Ein Muss – ich wiederhole mich – ist die Entfernung der Mulde – endlich bitte! Das sollte doch nicht schwierig sein. Jeder andere Platz wäre weniger störend als dieser, denn dieser zentrale Ort, neben der Rondelle, unter den schattigen Bäumen, ist für ein Strassenbistro oder einen Biergarten prädestiniert – in jeder anderen Stadt befände sich längst eine solche Einrichtung hier.
Ein Vorteil der Rondelle gegenüber einer anderen Grundrissform ist die allseitig gleichwertige Ausrichtung. Allerdings wirkt sie gerade dadurch weniger platzdefinierend.
Gegen sie spricht, dass sie einen ganzen Platz blockiert. Doch was ist die Alternative? Eine Wartehalle braucht es und wer hier schon zur Rush-Hour stand, weiss, dass diese Grösse erforderlich ist. Ein Ersatz würde also ebenfalls den Platz füllen.
Die Frage ist nur, ob er dies auch so elegant, leicht und transparent wie die Halle von Stararchitekt Santiago Calatrava kann? Ich denke kaum.
Mein Hauptargument für ein Nein 2011 war die Markthalle. St.Gallen fehlt ein grosser Platz. Den einzigen, den wir haben mit einer Halle zu überbauen, war für mich ein Fehler, zumal diese des Projekts «Josy und Orazio» an sich schon völlig undurchdacht war.
Die offene Fragestellung nach einem oder drei Plätzen, lange Gedankengänge und das Studium historischer Ansichten liess mich zum Schluss kommen, ein Haus in der Mitte aller Plätze könnte zur Lösung führen.
Manchmal braucht es radikale Ideen als Umwege zu Lösungen. Und diese radikale Idee ist das Irahaus, benannt nach dem Irator oder dem Irabach.
Dieses neue zentrale Gebäude verwandelt das undefinierte Flächengebilde «Marktplatz-Bohl» in drei klare Plätze, gibt ihnen ein Gesicht:
Schibenertorplatz? Mehr dazu hier.
Ein Haus an der Schnittstelle der drei Plätze verkleinert die Gesamtfläche keineswegs. Im Gegensatz zu einem Pavillon an dieser Stelle setzt ein grosses Gebäude dafür einen wesentlich stärkeren Akzent. Es repariert eine offene Wunde, die mit dem Abbruch der früheren Häuser an diesem Ort aufgerissen wurde – einen Abbruch, der heute kaum mehr Befürworter finden würde.
Jeder Platz hätte wieder seine Eigenständigkeit. Durch das offene Erdgeschoss würde keine öffentliche Fläche verloren gehen, kein Weg würde länger werden. Die Rondellengeschäfte wären alle hinter den Arkaden im Erdgeschoss untergebracht.
Historisch war hier schon ein Haus. Gemäss der bekannten Zeichnung von 1642 stand hier die «Metzig», ebenfalls mit Arkaden. Zusammen mit dem Rathaus, dem Irator und ein paar weiteren Häusern reichte dieser Block vom heutigen Vadian-Denkmal bis über die Mitte des Marktplatzachse.
1642
Stadtplan 1863
Die Öffnung der Fassaden allseitig stärkt die umliegenden Plätze, dem Marktplatz würde gar ein Gesicht geboten, das ihm heute fehlt. Die Abendsonne wäre für Cafés davor ein Gewinn. Auf dem Bohl entstünde ein Gegenpol zum Waaghaus und die Marktgasse fände einen Abschluss. Der Vadian stünde so auf einem echten Platz.
Ein historisches Gebäude lässt sich leider nicht mehr hinzaubern, ein Nachbau wäre auch ein Fehler. Hier wären gute Ideen gefragt, denn exponierter kann ein Gebäude nicht sein – eine Herausforderung für Architekten. Darum lege ich mich in meinen Skizzen auch nicht auf die Gestaltung fest. Quergiebel gegen die Plätze haben jedoch hier eine bessere Wirkung als eine Traufe.
Marktplatz mit neuem Irahaus
Bohl mit neuem Irahaus
Marktgasse mit neuem Irahaus
Warum nicht einfach ein Pavillon?
Eine dem Platz entsprechende bedeutungsvolle Nutzung wäre wünschenswert. Bedarf ist öffentlicherseits keiner vorhanden. Mir fällt einzig das Kreisgericht ein, das zurzeit im Hecht einmietet ist und dort unter engen Platzverhältnissen leidet. Im Irahaus wäre es repräsentativer und würdevoller untergebracht. Das Stadtparlament fände hier auch eine zentrale Bleibe. Platz für alle nötigen Nebenräume könnte hier eher gefunden werden als im Waaghaus.
Zu Beginn war es ein Geistesblitz, unrealistisch – unmöglich. Doch je länger ich mich mit dieser Idee auseinandersetze, desto mehr bin ich von ihr überzeugt. Die Stadt würde gewinnen.
Weitere Ausführungen zum Thema Marktplatz St.Gallen
Altes Rathaus in der Marktgasse