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Gedanken, Ideen, Meinungen und Senf von Markus Tofalo

Einkaufszentrum Altstadt –
eigentlich besser als jedes Shoppingcenter im Grünen

Hohe Leerstände in unseren Innenstädten erschrecken. Sie bereiten Sorgen. Auch in St.Gallen fallen zunehmend leere Geschäftslokale auf. Was sind die Ursachen und was hilft gegen diese Entwicklung? Hier meine Ideen und Gedanken dazu.

Ladensterben Altstadt St.Gallen, Shopper und Mieter gesucht

Inhalt

Kurze Wege

Konstanz ist nicht der Parkplätze und Preise wegen attraktiver

Was tun mit Leerständen

Enttäuschender Massnahmeplan des Projekts „Zukunft St.Galler Innenstadt“

Parkgaragen sind nie alle voll

Konkrete Ideen


Eine Altstadt ist grundsätzlich etwas Schönes

Denn wer keine mehr hat, baut sich wieder eine, wie dies zurzeit in Frankfurt am Main der Fall ist. Nach dem Krieg wurden dort alte Gassenverläufe zugunsten grösserer Parzellen und breiterer Strassen aufgegeben. Zwischen Münster und dem Römer wird dies nun rückgängig gemacht.

Eine belebte Altstadt, das wollen alle – quer durch alle Parteien. Hier ein Statement von FDP-Politiker Mauro Tiberi. Ich teile seine Ansichten.
Ganz so leer präsentieren sich die Gassen glücklicherweise jedoch nicht immer. An manchen Samstagen sind sie sehr gut besucht.

Dass weniger konsumiert wird, hat verschiedene Gründe. An der Attraktivität der Stadt kann dies aber kaum liegen, denn was in ausserhalb aufwendig kopiert wird, gibt's in Innenstädten im Original – ein Openair-Einkaufszentrum, ohne Konsumzwang, zum Verweilen, mit Cafés und Bistros unter Sonnenschirmen und Bäumen (dieser Punkt liesse sich in St.Gallen noch verbessern).

City Walk im International Plaza, Tampa Florida
In neuen Einkaufszentren oder in Outlet-Centers werden aufwendig die Strukturen mittelalterlicher Städte imitiert, wie dieses Beispiel des «International Plaza» in Tampa (Florida) zeigt.

Kurze Wege

Die Wege innerhalb unserer St.Galler Shopping City sind nicht weiter als innerhalb des Einkaufszentrums «Shopping-Arena». Die Länge der Multergasse entspricht ziemlich genau der Länger der Mall. Und je nach Parkplatz zählen sich gleich viele Schritte ans andere Ende des Centers wie vom Bahnhof zum Marktplatz, wie diese Grafik klar aufzeigt.

St.Gallen Parkplätze Parkgaragen City

Interessanterweise rufen nun die gleiche Parteien nach neuen Parkgaragen, wie vor 20 Jahren die Abstimmung über die Gratis-Landabgabe an die «Shopping-Arena» eintraten.

Es gilt zu unterscheiden zwischen Einkaufen und Shoppen

Einkaufen ist Pflicht – nötig für den täglichen Bedarf. Am besten so nah wie möglich, also im Quartier.

Shoppen macht Spass – für manche ist es Erholung und ein Freizeitvergnügen. Für ein Erlebnis werden auch längere Wege zurückgelegt.

Vergleiche mit Konstanz

Neben dem Onlineshopping wird auch immer der Einkaufstourismus als Grund für das Ladensterben genannt, namentlich das Einkaufen in Konstanz. Den Grund einzig bei den tieferen Preisen zu suchen wäre aber Augenwischerei. Konstanz hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt, Stichwort «Lago» (Wenn schon ein Einkaufszentrum, dann wenigstens mitten in der City). Oder: Hafenrestaurants, Seepromenade. Nun werden auch die Gassenbeläge erneuert.

Für Konstanz spricht auch der Mix. Hier findet man sowohl internationale Modeketten, als auch die kleinen Läden und Spezialgeschäfte mit ausgesuchtem Sortiment, das so nicht überall zu finden ist.

Mit den tiefen Preise wurden die Leute zum Einkaufen angelockt, zum Shoppen sind sie geblieben. Will heissen, auch wenn sie sich inzwischen wieder hierzulande mit Tagesbedarf eindecken, Shoppen in Konstanz macht ihnen weiterhin Spass. Shoppen in Konstanz ist ein Event.

Hier hat St.Gallen klar Abstriche gemacht. Auch wenn unsere Altstadt mit den neuen Gassenbelägen sehr viel gewonnen hat, die Entwicklung weg von Spezialläden hin zu Ketten – vorwiegend Boutiqen ist verheerend. Für Unterhaltungselektronik bleiben nur zwei Läden! Ein breites Musiksortiment ist nirgends mehr zu finden – der Rückgang an CD-Shops hat die Verkaufsprobleme von Musik-CD vor 10 Jahren beschleunigt, denn wo keine Gelegenheit, dort keine Käufer.
An genügend Parkplätzen kann der Konstanz-Boom nicht liegen, denn die fehlen dort weitaus mehr, als gewissen Kreise es in St.Gallen glauben machen wollen.

Wasser fehlt leider in St.Gallen und das lässt sich auch nicht einfach ändern (siehe hier). Auch wenn sich in St.Gallen Restaurants nicht ans Wasser setzen lassen, schöne Plätze gäbe es trotzdem, z.B. auf dem Marktplatz vor der Rondelle, wo eine Abfallmulde den Platz ziert...

Marktplatz St.Gallen mit Bäumen, aber ohne Biergarten
Marktplatz St.Gallen, hier unter den Bäumen könnte man doch verweilen. Der Platz gehört aber leeren Marktständen, Betonklötzen, wartenden Taxis und einer Abfallmulde.

Was tun mit den Leerständen?

Wer bestimmt, dass die Erdgeschossnutzung immer ein Laden oder ein Gastronomiebetrieb sein muss? Warum nicht auch ein Gewerbetrieb, ein Atelier? Oder Mischformen aus Laden, Gastro- und Workshop-Räumlichkeiten?

Für solche Nutzungen sind die Mieten zurzeit zu hoch. Das wird sich aber ändern. Die verkehrliche Anbindung muss natürlich gewährleistetet sein, überall, aber nicht immer und für jeden.
Möglicherweise sind schlicht zuviele Mietobjekte auf dem Markt. Obwohl ich auf meiner Recherche nicht fündig wurde, gefühlsmässig hat die Bruttofläche aller Ladengeschäfte in den vergangenen 20 Jahren zugenommen bei stagnierender Einwohnerzahl.
Es stellen sich auch Überlegungen, die Schaufenster der 1970er-Jahtre wieder zurückzubauen und den Fassaden wieder die ursprüngliche Gestalt zu verleihen. Die Wirkung einer «normalen» Fassade ist weit besser als jene eines leeren Schaufensters.

Enttäuschender Massnahmeplan des Projekts „Zukunft St.Galler Innenstadt“

Auch nach dem 3. Themenforum von Ende Februar sind von diesem Gremium keine zielführenden Ideen in Sicht. Es ist unverständlich, warum immer weder das Thema Parkplätze genannt wird.

Tatsache ist, es sind nie alle Parkgaragen voll. Belegungszahlen siehe auf "kurzverbloggt" von Marcel Baur.
Tatsache ist auch, dass es in der St.Galler Innenstadt nicht weniger Parkplätze gibt als vor 20 Jahren, sondern mehr, nachzulesen hier:
Bedauert wird die Ablehnung der Schibenertorgarage durch die Baukommission. Doch diese ist begründet, also keineswegs ein politischer Entscheid. Zudem hat der Kanton, vertreten durch das Amt für Kultur aus archäologischen Gründen diese Garage abgelehnt. Über diesen Entscheid kann sich die Stadt nicht hinwegsetzen.

parkplatzzahl stgallen 1994 2015Man möchte mehr Parkplätze bauen und in der Folge Strassenverkehrskapazität ausbauen? Wie denn? Unsere Städte wurden im Mittelalter gebaut, die Struktur hat sich erhalten und das ist gut so.

Parkieren wann und wo man will geht nicht

Die Mobilitätsinitiative ist nicht umsetzbar

Dass die Parkplatzzahl in der St.Galler Innenstadt in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hat, wird groosszügig übersehen. Waren es 1994 noch 2'717, sind es 2015 3'567.
Interessanterweise rufen nun die gleiche Parteien nach neuen Parkgaragen, wie vor 20 Jahren die Abstimmung über die Gratis-Landabgabe an die «Shopping-Arena» eintraten.

Klar: Liefern und Holen von sperrigen Waren muss möglich sein. Das ist eine Grundlage für eine funktionierende Wirtschaft.

Als Belebungsmassnahme wird auch eine Signalisation genannt. Was bitte ist an der Beschriftung unserer Gassen schlecht? An Wegweisung mangelt es nicht, die antrazith-roten Panels sind nicht zu übersehen. Vorstellbar wären weiter unten genannte Orientierungshilfen.

Geradezu hilflos liest sich ein weiterer Punkt im «Massnahmenkatalog»: «Erreichbarkeit durch ÖV und Taxis verbessern. Kein Kommentar.

Kronkrete Ideen

Auftritt wie ein Einkaufszentrum

Gemeinsamer Auftritt gegen aussen. Eine Orientierungskarte, wie sie ein Einkaufszentrum hat, offline, stationär an Infotafeln, online und auch als App, verständlich mit klarer Grafik. Farbliche Kennzeichnung der Branchen. Sämtliche Shops, Dienstleistungs- und Gastrohbetriebe sind einander gleichgestellt darin eingetragen, also keine Werbeanzeigen, keine Hervorhebungen, welche die Übersichtlichkeit stören.
Auch enthalten: Erreichbarkeit mit ÖV und Auto mit Parkierungsmöglichkeiten und Integration des Parkleitsystems.
Attraktive Zugänge in die Altstadt von den Garagen und ÖV-Haltestellen. In diesem Sinn sind die WISG-Ideen zu befürworten, mit Ausnahme des Aufgangs im Waaghaus (siehe hier).

vulcanobuono nola
Um hier nicht ungewollt Werbung für nahe gelegene Center zu machen, ein Beispiel von etwas weiter (ein übrigens beeindruckender Bau von Stararchitekt Renzo Piano).

Neutrale Anlaufstelle

Infopoint als Anlaufstelle für Auskunft aller Art – wie in jedem Einkaufszentrum. Dies könnten z.B. die weiter unten beschriebenen Pickup-Points sein.

Service wie ein Einkaufszentrum

Dazu gehört auch ein Kinderhort oder im Minimum ein Kinderspielplatz.

Transport- und Lieferdienste

Ein Heimlieferdienst wäre eine Möglichkeit. Doch dann kann gleich im Internet bestellt werden, das kommt auch «erst» am nächsten Tag.

Wie wäre ein Parkgaragenlieferdienst? An der Kassen in den Geschäften gibt man sein Erstandenes ab mit Angabe der Garage bzw. Bahnhofs. Während man weitershoppt oder etwas Trinken geht, werden diese Taschen an die jeweiligen Pickup-Points geliefert.Dazu sind ein paar Lieferteams nötig, welche ihre Runden durch die Gassengeschäfte machen, die Taschen sammeln und entsprechend deren Markierung an die jeweiligen Pickup-Points liefern. Durch Vorhalten der Belege erhält man dort seine Tasche. Mehr als 30 Minuten benötigen die Lieferpatrouille dazu nicht. Die Kosten könnten durch die Menge und die Rationalisierung niedrig gehalten werden. Pickup-Points sehe ich in den Garagen Brühltor/Burggraben, Unterer Graben und Neumarkt sowie am Hauptbahnhof, wo sich auch Benützer der Rathaus- und FHS-Garage ihre Einkaufstaschen abholen können.

Dieser Dienst hätte auch den nicht unwesentlichen Vorteil, dass nicht alles geschleppt werden muss. Überlegungen wie , das kaufe ich dann am Schluss, werden hinfällig – Impulskäufe werden begünstigt. Der Dienst wächst mit der Menge, ähnlich der Grünabfuhr.
Die Finanzierung könnte durch eine kleine Gebühr ähnlich der Garderobengebühr in einem Ausgehlokal, besser aber durch die Parkgebühren erfolgen. Wenn es durch die Benützer als integrierten Service erscheint, umso besser.

Der Mehrwert des Ladens

Der Laden – der Showroom, der Ort, wo die Produkte live gesehen werden können, aus- und anprobiert werden können. Neues zu Entdecken ist. Shoppen und auch Einkaufen ist ein Erlebnis – im Internet ist es technisch. Im erfolgreichen Shop sind beide Vorzüge kombiniert. Ein grosser Bildschirm funktioniert als Spiegel, zeigt mir auf Wunsch aber auch, wie das gleiche Teil in Grün wirken würde. Wie im Web, kann ich auch hier alles unkompliziert umtauschen, gegen Geld, nicht gegen Gutscheine. Der Laden ist auch ein Servicepoint.

Öffnungszeiten

Mit der Ausweitung der Öffnungszeiten bekunde ich Mühe. Grundsätzlich wird nicht mehr gekauft, nur weil die Gelegenheit dazu länger dauert. Die Spiesse sollten allerdings gleich lang sein. Es ist nicht einzusehen, warum man länger geöffnet haben darf, nur weil man zusätzlich zum allgemeinen Warenangebot noch Tanksäulen hinstellt oder seinen Laden im Bahnhof hat. Hingegen geniesse auch ich offene Tankstellenshops am Sonntag oder abends um 21:30 Uhr.

Crossover

Shoppen, Ausgehen, Beauty, Essen, Vergnügen, Kino – es muss hinterfragt werden, warum diese Tätigkeiten zeitlich und örtlich getrennt angeboten werden müssen?

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