Mit der Verkehrswende aufgrund der Klimaschutzmassnahmen und verstärkt durch die Coronakrise steigt der Druck nach mehr Velomassnahmen. In allen grossen Städten Europas werden im Eiltempo – oft auch improvisiert – Velospuren und -wege erstellt. Gut so.
Auch in St.Gallen sollen vermehrt Velowege erstellt werden. Dies verlangen gleich zwei Initiativen. Doch dies ist nicht einfach. Es mangelt an Geld und auch an Platz. Die Kompromisse sind nicht immer befriedigend. Für routinierte, schnell fahrende Velofahrende sind manche Massnahmen gar Verschlechterungen. Oft fühlt man sich als Velofahrer an den Rand gedrängt. Ich muss mich erklären.
Es ist nicht einfach, sich wiederholt gegen Vorurteile und unwahre Vorwürfe wehren zu müssen. Schnell fahrende Velofahrende wie ich seien rücksichtslose Egoisten, gar Rowdies. Immer wieder muss ich meine Haltung erklären, den Autofahrenden, die Velos als fahrende Schikanen empfinden und jenen, die jeden Winkel der Stadt mit Velowegen erschlossen haben wollen.
Klar, ich will vorwärts kommen. Ich wähle auch darum das Velo als Verkehrsmittel, weil es
Tatsächlich fahre ich nicht gerne in Mischzonen mit Fussgängern. Ich weiche ihnen aus, in Begegnungszonen nehme soweit möglich Rücksicht. Ich erwarte aber auch von Zufussgehenden, dass sie Platz machen, wenn ich auf einer markierten Velospur, zu deren Benützung ich verpflichtet bin. Darum bevorzuge ich Velospuren und -streifen auf Strassen, also im Mischverkehr mit den Autos. Der Tempounterschied ist gering. Wenn ich in Steigungen bei fehlendem Radstreifen zum Hindernis werde, weiche ich ausnahmsweise aufs Trottoir aus, wenn sich im Moment dort keine Fussgänger befinden.
Auf den ÖV nehme ich nehme ich immer Rücksicht. Dieser fährt nach Fahrplan, eine Behinderung trifft mehr Personen als sie es bei einem Auto, das meistens nur von einer Person besetzt ist, tut. Darum bin sich auch kein Unterstützer der Mitbenützung von Busspuren. Die onflikte können gar gefährlich sein.
Am schnellsten ist man auf der Strasse. Ich trage die beiden laufenden Veloinitiativen in der Stadt St.Gallen nicht mit. Warum?
Weil jeder neue Veloweg – so zeigen es die bisherigen Erfahrungen – zusätzlich Schleifen, zusätzliche Randsteine, zusätzliche Wartezeiten an Rotlichtern und Kein-Vortrittssignalen einen Zeitverlust bedeuten. Das Velo verliert so einen seiner grossen Vorteile – nämlich dass es schneller ist als ein Bus und auch schneller als das Auto.
Ja, es braucht sichere Routen für Familien, Kinder und unsichere Velofahrende. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass es auch diese mit wachsender Routine die schnellen Routen suchen und finden werden. Wenn auch sie die effektiven Vorteile des Velos zu schätzen wissen gelernt haben. Andernfalls bleibt für die das Velo stets zweite Wahl – notwendiges Übel.
Meine Partei, die Grünliberalen, verlangt, dass Velofahren in Distanz und Wartezeiten gegenüber dem Autoverkehr keine Nachteile hat – oder einfach gesagt, die GLP verlangt volle Gleichberechtigung auf allen Strassen. Natürlich würden sie schnelle Velorouten schätzen. Aber erstens sind diese nicht für 10 Millionen Franken zu haben und zweitens dauert die Erstellung eines Netzes sehr lange. Der Hauptgrund: Unsere Wohnungen, unsere Arbeitsplätze, Einkaufsorte, Restaurants und ÖV-Schnittstellen liegen mehrheitlich an normalen Strassen – und werden dies auch beim perfektesten Velowegnetz bleiben. Wir müssen also weiterhin auch Strassen benützen können. Die volle Entflechtung, wie sich diese viele wüschen, ist eine Illusion. Im Innerortsverkehr geht es nur miteinander. Die Entflechtung braucht Platz und sie kostet – im Bau wie im Unterhalt. In Quartieren und in Tempo-30-Zonen ist sie aufgrund des geringeren Geschwindgkeitsunterschiedes nicht nötig.
Autofahrende müssen somit ihre Strassen teilen. Innerorts soll möglichst wenig Auto gefahren werden. St.Gallen hat sich dafür entschieden, den motorisierten Individualverkehr nicht weiter anwachsen zu lassen. Gut so. Ausserhalb der Städte kann diese Politik nicht immer nachvollzogen werden. Auf dem Land tickt man anders. Das ist nicht despektierlich gemeint. Tatsächlich sind auf dem Land die Distanzen grösser und er ÖV rarer. Das Auto ist dort oft das einzige Verkehrsmittel und geniesst darum einen entsprechend höheren Stellenwert. Ich erwarte von der Landbevölkerung, dass sie die Probleme der Städte wahrnimmt, die immerzu vollen Strassen und den Lärm und die Luftverschmutzung, dass sie den Willen, dagegen etwas unternehmen zu wollen, respektiert. Es ist schliesslich ihr Lebensraum.
Natürlich geht es mir ums Vorwärtskommen, möglichst schnell. Ich will ja die Vorteile des Velos auskosten. Als Rowdie lass ich mich aber keineswegs beschimpfen. Ich gewähre den Autos den Vortritt, wenn sie ihn haben, nehme in mir aber, wenn er mir zusteht. Werde ich rechts absichtlich blockiert, erlaube ich mir die Linksvorbeifahrt. Ja, der Gedanke, dass jeder Verkehrsteilnehmer selber schuld ist, wenn sein Fahrzeug zu breit ist, liegt mir natürlich nahe. Bei allen Manövern ist mir aber meine Sicherheit immer das Wichtigste. Die oft geäusserte Unterstellung, dass Velofahrende davon ausgehen, dass im Zweifelsfall ohnehin immer der Autofahrer schuld ist, ist unwahr rund beleidigend. Niemand nimmt ernsthaft schwere Verletzungen in Kauf, auch im Wissen, dass der andere den Schaden zu tragen hat. Niemand!
Ich bin also weder ein Rowdy noch gehe ich im Strassenverkehr unnötige Risiken ein. Ich will einfach nur vorwärtskommen, nicht an den Rand gedrängt werden. Und ich bin nicht der einzige Velofahrende, der so denkt. Meine Hauptforderung: Keine Benützungspflicht für Velo(um)wege!
Radstreifen auf Trottoirs – zur Schleichfahrt verdonnert
"Langsamverkehr" gibt es nicht