Mit grossem Bedauern aber, ehrlich gesagt, mit wenig Erstaunen habe ich von der Absage des «Weihern Openair Festivals» St.Gallen Kenntnis genommen. Unsere Stadt zementiert damit ihr Image als überreglementierte Bünzlimetropole. Sie ist weit davon entfernt, sich «offene Kulturstadt» nennen zu können, wie dies der Stadtrat in seinen Zielen definiert.
Schweizer lieben Musik- und andere Festivals, vor allem unter freiem Himmel. Zulauf haben nicht nur die ganz Grossen, wie das «Openair St.Gallen», das «Gurtenfestival», das «Heitere», «Gampel» oder das «Paléo». Auch zahlreiche kleine und Kleinstanlässe erfreuen sich einer grossen Beliebtheit. Bis 2015 haben wir einen Schweizer Festivalguide zusammengestellt. Von Mai bis Oktober zählten wir 750 Events, wobei die Grenze zwischen Festival und Grümpelturnierrahmenprogramm nicht immer einfach zu ziehen war. Die Dichte an Musikfestivals ist nirgends so gross wie in der Schweiz.
Mir gefallen mittlere und kleine Openairs besonders gut. Die Atmosphäre empfinde ich als angenehmer und freier als bei Grossevents. Auch muss ich mich nicht Monate zuvor festlegen, ob ich da hingehen möchte.
Ich kann Roger Berhalters Kommentar im «Tagblatt» voll unterschreiben. Nicht nur die Behörden, auch viele St.Gallerinnen und St.Galler sind kleingeistig. Im Zweifelsfall nein gilt hier.
Ein weiteres Beispiel: Letztes Jahr fand das erste «Streetfood Festival» in St.Gallen statt. Nachdem der Veranstalter bereits im ganzen Land damit etabliert war, suchte er auch hier die Möglichkeit einer Durchführung. Weil wir uns kennen, gelangte er zuerst an mich mit der Frage, wie er hier vorzugehen habe und welche Austragungsorte zu empfehlen wären. Der bevorzugte Gallusplatz oder andere Plätze im Zentrum wurdem ihm verwehrt. Allgemein bekam er starke Ablehnung für sein Vorhaben zu spüren. Man wollte ihn ins schlecht ausgelastete Olma-Areal schicken. Unmöglich, zu weit weg vom Passantenstrom und auch zumal es dort einen vertraglich gebundenen Gastroherrscher gibt. Der Platz um die Pädagogische Hochschule war dann ein gefundene Kompromiss.
Nun wird der Schwarze Peter im «Weiheren» gegenseitig zugeschoben (siehe hier). Wie Berhalter in seinem Kommentar richtig schreibt, braucht ein Veranstalter Planungssicherheit. Eine auch nur angetönte Änderung der Auflagen vier Monate vor der Durchführung geht nicht. Die Planung von Festivals beginnt schon im Herbst davor, wenn erste Acts gebucht werden. Je nach Band wird eine gewisse Grösse der Bühne oder eine Mindestanzahl an Besuchern vorausgesetzt, um den Anlass finanzieren zu können. Die Veranstaltung von Musikfestivals ist ohnehin schon ein hochriskantes Geschäft. Dieses Risiko noch künstlich zu erhöhen, passt nicht zu einer Stadtverwaltung, die sich eine offenen Kulturstadt nennen will.
Zum Schluss noch ein Wort zu den «geplagten» Anwohnern. Es mangelt nicht an Schlafgemeinden, wo es genug Ruhe gibt. Geht doch dorthin! Wir leben in einer Stadt. Der Raum ist enger, der Freiraum ist eingegrenzter. Es braucht Toleranz nicht nur gegenüber Ruhe suchenden, sondern auch gegenüber jenen, die nach langen Arbeitswochen aus ihrem Alltag ausbrechen wollen. Im Fall der «Weihern»: An 363 Abenden steht dort keine Bühne!
Erfreuen wir uns doch an schönen Sommeranlässen. Geniessen wir sie oder gönnen wir sie denen, welche durch solche Zeitoasen Entspannung in ihrem vielleicht nicht immer leichten Alltag finden.
Wir gehen schon um 22 Uhr schlafen. St.Gallens Nachtruheproblem ist ein Dauerthema. Auch 2005 im TREND MAGAZIN.