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Vorwärts

Gedanken, Ideen, Meinungen und Senf von Markus Tofalo


Das unerkannte Potential von Buswendeplätzen

Plätze sind Orte der Zusammenkunft. Wege kreuzen sich, man verweilt aber auch, geplant oder spontan. Plätze sind Visitenkarten der Städte und deren Quartiere. St.Gallen hat zu wenig davon. Unsere Plätze sind primär Kreuzungen – oder Buskehrschleifen.

heiligkreuzplatz beschriftet

Ein Buswendeplatz ist etwas Technisches. Da befindet sich eine Kehrschleife und ein Buswartehäusschen. Die Restfläche ist irgendwie kostengünstig und praktisch zuasphaltiert. Ein Ort ohne viel Aufenthaltsqualität. Die Stadt versucht, diese Unorte durch mehr Grün und Möblierung aufzuwerten. Das ist löblich. Doch ein Buswendeplatz bleibt auch aufgepimpt ein Buswendeplatz.

Es gibt ein einfaches Mittel zur Aufwertung eines Buswendeplatzes. Und es kostet erst noch fast nichts: Es geht um die Benennung. «Wendeplatz» beschreibt den Zweck. Ein «Platz» hingegen ist mehr. Aufwertung beginnt im Kopf.

Also nennen wir die Wendeplätze «Neudorfplatz» bzw. «Heiligkreuzplatz». Einzige Ausgaben sind Schilder, die Bezeichnung in den Plänen und eventuell noch Umadressierungen von Anstössern. Als Betroffener würde ich mein Domizil liebend gerne Heiligkreuzplatz 3 nennen anstatt z.B. Langasse 165. «Platz» klingt doch besser als «Strasse» oder «Gasse». Hat nicht einmal eine Bank geworben mit «Marktplatz 1 – eine der besseren Adressen der Stadt»?
In anderen Städten sind Quartierplätze auch benannt, oft auch nach den Namen der ehemaligen Weiler oder Dörfer (Albsiriederplatz Zürich, Nollendorfplatz Berlin, ...)

Selbst ohne bauliche Änderung können Neudorfplatz und Heiligkreuzplatz diese Namen erhalten.

stgallen heiligkreuz platz
Die neuen Bauten des Pflegeheims Heiligkreuz werten den Heiligkreuzplatz auch ohne städtisches zutun bereits stark auf (der Mittlere ist visualisiert). Das gegen den Platz ausgerichtete Café ist das pure Gegenteil zur früheren, geschlossenen Hinterhoffassade. Ich bin überzeugt, dass diese Ausrichtung auf den belebten Platz auch im Interesse der Bewohnenden ist. So sind sie nicht abgeschottet, sondern Teil des öffentlichen Lebens.

Mögliche, mehr oder weniger einfache bauliche Verbesserung sind sekundär. Diese wären:

  • Ein einheitlicher, definierender Belag auf allen Fussgängerbereichen
  • Ein Kiosk, der gegen die Platzfläche gerichtet ist und vielleicht durch ein paar Tischchen ergänzt ist.
    (Der FHS-Chiosco lässt grüssen)
  • Hohe Bäume statt teilendes, niedriges Gebüsch
  • Einen Fixpunkt, z.B. ein Kunstobjekt, einen Brunnen oder eine Platzlinde
  • Bei mehreren Bushaltekanten eine zentrale Abfahrtsanzeige
  • eventuell ein zentraler Wartepavillon mit Kiosk integriert.

heiligkreuzplatz
Ohne die effektiven Pläne im Detail zu kennen, habe ich meine Vorstellung des Heiligkreuzplatzes skizziert. Ein Café und ein Kiosk würden belebend wirken. Eine Stärke ist die Verbdung zum Park der Kirche und des Pflegeheims. Belebend würde sich auch ein Quartierladen in den Räumen der ehemaligen Garage auswirken.
Wünschenswert wären auch Buhaltekanten für die Linien nach und von Wittenbach und Arbon. Sie würden den Umstieg auf das städtische Netz ermöglichen. Diese sind hier nicht berücksichtigt.

Plätze sind definiert durch

  • die Fläche, möglichst eine regelmässige geometrische Form und ein einheitlicher Belag 
  • eventuell einen mittleren Bezugspunkt
  • die Umrandung durch Abgrenzungen wie Mauern, Fassaden oder einfache Randabschlüsse
  • Wege und Strassen von mehreren Seiten, die sich hier treffen

Gebäude sind mehr oder weniger gegeben, Randabschlüsse, also Belagswechsel, Randsteine oder Abgrenzungen zu Grünbereichen, lassen sich verhältnismässig einfach platzdefinierend setzen und gestalten.

Ein mittlerer Bezugspunkt kann ein Brunnen, ein Denkmal, ein Kunstobjekt, ein grosser Baum oder einfach nur ein paar Bänke und eine Litfasssäule sein.

Gegeben sind auch Parzellengrenzen. Doch diese müssen nicht immer offen sichtbar sein. Wenn z.B. der Vorplatz auf einem Privatgrundstück ebenfalls weitgehend öffentlich genutzt wird, weil er z.B. wie im Fall des Heiligkreuzplatzes zu einem Altersheim gehört, gibt es keinen Grund, diesen privaten Bereich durch Randsteine oder einen Belagswechsel zu markieren.

rotmonten sonnenplatz
Beispiel einer falschen Platzgestaltung: Der Sonnenplatz Rotmonten. Anstatt die Platzkanten (blau) wurden auch im Fussgängerbereich die Strassenverläufe (rot) betont. Durch Landabtausch vor der Neuüberbauung des Sonnenareals wären sicher bessere Lösungen für alle Beteiligten möglich gewesen.

 

neudorfplatz stgallen neu 2

Neudorfplatz: Im Gegensatz zum Pflegeheim Heiligkreuz schottet sich das Notkerianum am Neudorfplatz mit Mauern und Hecken von der Öffentlichkeit ab. Dabei wären die Möglichkeiten hier gleich wie am Heiligkreuzplatz. Anstatt an den Platz zu bauen, wollen die Verantwortlichen im Neudorf den neuen Wohntrakt zur Autobahn ausrichten. Irgendwie unverständlich.

Der Neudorfplatz könnte ein Vorzeige-Quartierzentrum sein.

 

Wenn ich in diesen Beispielen einmal mehr zu einem platzprägenden Belag in Karomuster zurückgreife, dann weil sich dieses erstens zur grafischen Darstellung besonders gut eignet, zweitens mir gefällt und drittens sich schnell visualisieren lässt.

Dass ich auch hier wiederum mich nicht um die Besitzverhältnisse schere, liegt nicht daran, dass ich Grundbesitzer enteignen möchte, sondern daran, dass ich davon ausgehe, dass man sich arrangieren könnte. Ein Vorplatz, der fliessend in den öffentlichen Platz übergeht, hat auch seine Vorteile, z.B. wenn man so sein Geschäft gefühlsmässig auf den vermeintlich öffentlichen Platz legen kann oder seine Liegenschaft näher am Puls des Geschehens liegt. Im Stadtzentrum gibt es ja auch solche Beispiele.

 

Plätze statt Kreuzungen

platz kreuzung prinzip
Aus einer Kreuzung wird ein Platz.

Durch einfache gestalterische Massnahmen könnte aus einer Kreuzung ein Platz werden. Dabei muss zwischen Kreuzungen mit viel Verkehr, also mit Hauptstrassen und Erschliessungsstrassen, und Kreuzungen mit wenig Verkehr unterschieden werden.

Die aktuelle Praxis ist:
Zuerst sind die Strassen, dann die Trottoirs, dann Vorplätze der angrenzenden Gebäude.

Besser wäre:
Zuerst der Platz, dann die Strassen. Sind diese lediglich Quartierstrassen, können sie durch den Platz unterbrochen sein. Sind sie wichtiger, also Erschliessungs- oder Durchgangsstrassen, durchtrennen sie die Platzfläche. Entscheidend ist, das rundherum nicht Trottoirs sind, sondern Platzfläche – selbst wenn dadurch fast die gleiche Fläche befestigt ist.

baden martinsbergstrasse
Bei Kreuzungen von Quartiertstrassen ist Platz für einen markanten Baum in der Mitte wie hier im Martinsbergquartier von Baden.

Biel Zentralplatz
Wie durch die Belafswahl ein Platz akzentuiert wird, zeigt das Beispiel des Bieler Zentralplatzes.

 

Bei viel Verkehr benötigt dieser auch auf einer Kreuzung seine Fahrbahn (rechte Skizzen). Der Fussgängerbereich kann mit Rabatten vom Strassenverkehr getrennt werden (oben). Diese Trennung trennt optisch den ganzen Platz, macht aus diesem eine Kreuzung. Oder man zeichnet den Platzbereich durch einen anderen Belag nach, entweder nur auf den Trottoirflächen oder auch auf den Strassenflächen (unten). Das wirkt verbindend. Eine Trennung von der Strasse kann, falls aus Sicherheitsgründen nötig, immer noch mittels eines Geländers erfolgen. Bäume sind durchaus vorstellbar.

Bei wenig Verkehr (linke Skizzen) sollte die Grenze zwischen Fahrbahn und Fussgängerbereich gänzlich aufgehoben sein. Der Verkehr wird sich auch so arrangieren. Diese Plätze wirken verbindend. Eine Platzlinde wäre das i-Tüpfelchen.

 

Wert von Plätzen

Möglich, dass die direkten Platzanstösser die Magnetwirkung eines Platzes erkennen, ihre Liegenschaften gegen den Platz öffnen und Geschäfte entstehen lassen. Eine solche Belebung wäre in manchen Quartieren wünschenswert. Doch selbst wenn dieser Effekt ausbleibt, sind solche Orte wertvoller als das blosse Zusammentreffen von vier Strassen. Sie wirken zudem verkehrsberuhigend.

Durch eine allgemeine Übersignalisation werden nicht unsignalisierte Orte unsicherer, weil eine Signalisation überall erwartet wird. Gleiches gilt für Lichtsignalanlagen. Je mehr davon installiert werden, desto unsicherer wirken lichtsignalfreie Kreuzungen.

Die Tendenz zur Übersignalisation sollte gebrochen werden.

Beispiele von europäischen Städten, welche in diese Richtung arbeiten, gibt es.

Gestaltung von Kreuzungen in Begegnungszonen


Fotos und Grafiken: Markus Tofalo, Luftbilder- und Plangrundlagen: Digitaler Stadtplan St.Gallen

 

 

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