Süditalien-Rundreise
Bella Italia war in den 1960ern und '70ern die Topferiendestination für Schweizer und Deutsche. Mit den günstigeren Flügen liessen neue Möglichkeiten Italien in den Hintergrund rücken. Zu unrecht, denn der Süden Italiens hat die gleiche Anzahl Sonnentage und die gleichen Temperaturen wie die Balearen, die griechischen Inseln oder die Südtürkei. Und fliegen kann man hierhin inzwischen auch, z.B. nach Lamezia Terme in Calabria. Die reise ist aber auch per Bahn oder mit dem Auto machbar.
Calabria ist touristisch für viele ein schwarzes Loch. Gerade das macht die Zehenregion des Stiefels interessant, denn Massentourismus kennt man hier nicht. Hotelanlagen und Resorts am Meer hat es schon, Anzahl und Grösse der Anlagen sind jedoch überschaubar. Daneben gibt es eine Vielzahl von Ferienhäusern, Bungalows und Agriturismi, zu deutsch: Ferien auf dem Bauernhof, wobei die Landwirtschaft vielfach nur dekorierende Folklore ist, ähnlich den Fincas auf Mallorca.
Ich besitze selber ein Häusschen im Appenino Lucano in der Basilicata. Daher bereise ich regelmässig den Süden Italiens und kenne mich vor allem in Campania und der Basilicata gut aus. Hier ist der Tourist noch Gast, nicht Teil eines Grossbusinessmodells, Italien noch Italien.
Tropea
In Italien ist alles schön und alles gut. Selbst eine weniger gute Pizza schmeckt in Italien besser als eine schmackhafte hierzulande. Sehenswürdigkeiten findet man an jeder Ecke. Nicht wenige solche Objekte sind auch auf den braunen Tourismuswegweisern auf den überbeschilderten Strassen ausgeschildert. All diese Kirchen und Ruinen, wie auch die Gassen und einfachen Häuser der Durchschnittsstädtchen faszinieren durch ihren Charme.
Unbedingt jeweils eine Vorspeise bestellen!
Borgia ist ein Durchschnittsdorf ohne nennenswerten Tourismus. Doch auch hier ist die Piazza im Sommer bis Mitternacht belebt.
Pizzo
Natürlich gib's auch Strände – viele Strände! Öffentliche Strände gibt's überall. Dabei hat man die Wahl zwischen einem konfektioniertem Reihundgliedliegeplatz mit Schirm, eine typisch italienische Strandplatzvermarktungsart, oder einem kostenlosen leeren Strand, wo man aber Strandtuch und Schirm selber mitzubringen hat. Ich Individualist zeihe diese Möglichkeit vor. Schirme lassen sich kaufen, in manchen Hotels oder Ferienhäusern können sie auch ausgeliehen werden.
Sonnenbaden zwischen steilen Felsen in Tropea
Besonders schön sind die Abende an der Ostküste Calabrias. Diese liegen für kitschige Sonnenuntergänge günstig, daher sind Restaurantplätze begehrt. Reservieren ist empfohlen.
Blick von Tropea auf die Vulkaninsel Stromboli
Tropea, Santa Maria dell’Isola. Auf der Insel befindet sich auch ein imposanter Kakteengarten.
Fliegen oder fahren
Unsere Süditalienrundreise beginnt am Flughafen Lamezia. Edelweiss fliegt hierhin. Alternativ schafft man es auch mit dem Auto. In 17 Stunden ab St.Gallen sollte ohne Rasen und mit genügend Halt möglich sein. Vorteil: Bei vollem Auto ist dies günstiger und man hat weniger Gepäcklimite. Den Nachteil brauch ich hier nicht zu erwähnen...
Lamezia Terme ist wenig sehenswert. Im autofreien und mit Palmen geschmückten Corso Giovanni Nicotera vermisse ich Läden und damit verbundenes Leben. Dass Lamezia über einen Flughafen verfügt, liegt wohl vielmehr daran, dass es in Calabria aus topografischen Gründen nicht gerade eine grosse Auswahl für dessen Platzierung gibt.
Als Aufenthaltsmittelpunkt für Calabria-Neulinge ist die Gegend zwischen Lamezia Terme, Tropea und Catanzaro ideal zentral. Die Küstenorte sind touristisch gut erschlossen, Hotel und Ferienwohnungen zu finden, dürfte nicht schwierig sein. Beliebt sind Bungalows am Strand.
Pizzo und Tropea
Die beiden Städtchen sind die touristischen Hotspots der Region. Der Ausbau des Flughafens Lamezia hat dem Fremdenverkehr nochmals einen Schub verpasst. Entsprechend ist das Shopping- und Gastronomieangebot in den Strassen, Gassen und Piazze ausgerichtet.
Pizzo, Piazza della Republica
Pizzo ist bekannt als Ort der Hinrichtung von Joachim Murat, einem Kavalleristen unter Napoleon, der es bis zum König von Napoli brachte.
Seine Zelle und der Ort der Erschiessung befinden sich im Castello Aragonese, das heute ein gut besuchtes Museum ist.
Strand bei bei der Chiesetta di Piedigrotta bei Pizzo
Einmalig ist die Chiesetta di Piedigrotta bei Pizzo, gehauen in Tuffstein. Der Legende nach sollen Schiffbrüchige im 17. Jahrhundert zum Dank für ihre Rettung einen Altar gestiftet haben. Die Höhlenkapelle wurde seither kontinuierlich erweitert.
Tropea
Die Südküste
Sonnenaufgang in Caminia an der Südküste
Auch diese Küste hat felsige und steil abfallende Passagen.
Touristischer Hotspot hier ist Soverato. Während der Sommermonate ist die Strandchilbi fix installiert.
Sehenswerte Dörfer sind das auf einem Berg situierte Squillace (Bild) und das etwa eine Fahrstunde von dort entfernte Sierra San Bruno. Der mittelgrosse Ort liegt auf einer direkten Distanz zur Küste von ca. 20 km 850m höher. Neben der schönen Landschaft lockt dort auch der Parco Avventura Adrenalina Verde, ein Seil- und Kletterpark für die ganze Familie mit Zipline.
Das Castello Normanno di Squillace muss abends, bei Sonnenuntregang besucht werden! Es eregeben sich spannende Licht-Schattenspiele.
Im CENTRO CERAMICA BY MELLACE in Squillace kreiert der Inhaber die Kunst noch selber.
Nicht Aragon: Le Castella
Foto: Fototeca ENIT
Antike Stätten
Bevor die Römer ihre Blütezeit hatten, herrschten in Süditalien die Griechen. Von beiden Kulturen sind zahlreiche Überbleibsel zu finden. Ein römisches Beispiel ist Scolacium. Hier werden zurzeit Relikte der antiken Stadt freigelegt, wobei sich das «zurzeit» wohl auf mehrere Jahre erstreckt. Vom grossen Amphitheater war 2010 noch nichts zu sehen. Die Ränge des kleineren Theaters sind in den Hang gebaut mit Blick zum Meer. Hitzebedingt ist eine Besichtigung noch vor dem Brunch anzusetzen.Antike Bauten bzw. deren Überreste ziehen mich magisch an.
Das erst kürzlich ausgegrabene Amphitheater von Scolacium
Foto: Fototeca ENIT
Zur Anlage gehört auch ein Olivenölmuseum.
Wir fahren wieder entlang der ionischen Küste. In Marina di Sibari gibt es ein besonders abschreckendes Beispiel misslungener süditalienischer Tourismusplanwirtschaft. Die lange, inzwischen zerfallende Soll-Prachtstrasse mit Pärkli und Piazza in und durch unbesiedelte Fläche ist nur ein Beispiel, wie mit Subventionen durch mafiöse Kanäle Missbrauch betrieben wird. Das braucht uns aber nicht weiter zu betreffen – schade um die Fehlinvestition finden dürfen wir es aber schon. Bauruinen sind leider hier im Süden oft zu finden.
Auslassen kann man die Ausgrabungen von Sybaris, ebenfalls eine Stadt griechischen Ursprungs, bevor sie durch die Römer erobert wurde. Viel ist nicht zu sehen. Will ich bei meinen Mitreisenden zum Besuch von Paestum bewegen, bewahre ich sie besser vor dieser Enttäuschung. Es isst auch niemand ein Steak, wenn es nachher noch ein Filet gibt.
Immer mehr prägen Windturbinen das Landschaftsbild Calabrias und auch der Basilicata.
Der italieniache Strommix besteht 2017 aus 16% neuer erneuerbarer Energie, also Windkraft und Photovoltaik.(Bild Satriano di Lucania)
Matera, Kulturhauptstadt 2019
Eraclea ist ein weiterer Ausgrabungsort, den wir auslassen auf unserer Fahrt auf der Ionico, wie die SS106 entlang der Küste heisst.
Unser Ziel ist Matera. Die Ansätze von breitem Badetourismus erreichen nicht annähernd die Ausmasse anderen Regionen im Mittelmeerraum. Nach zwei Stunden sind wir in Matera im Landesinnern, abseits der grossen Tourismusströme. Matera, die zweitgrösste Stadt der Basilicata. Wegen ihres nahöstlichen Flairs musste Matera schon oft in Filmen als Jerusalem-Ersatz hinhalten. Die Umgebung ist ähnlich karg, die Schlucht tief, die Gassen eng und die Dächer flach. Ein Sonnenuntergangsfoto im Skulpturenpark ist ein Muss.
Pietrapertosa in den Dolomiten Süditaliens
Pietrapertosa
Entlang des Basento kommen wir Potenza, der Hauptstadt Basilicatas näher. Die Stadt ist nicht besonders schön, wurde sie in ihrer Geschichte leider zu oft von Erdbeben heimgesucht, zuletzt 1980. Das Zentrum lockt aber mit einer schicken und autofreien Shoppingmeile, wo auch kettenunabhängige Läden zu finden sind. Ein Kuriosum ist die längste Rolltreppe Europas (oder der Welt?). Statt mit einer Brücke ein Tal zu überqueren wurden beidseitig lange, überdachte Rolltreppen gebaut.
Höhenluft und Mittelalter
In den Bergen des beginnenden Parco Nazionale Appenino Lucano liegt das mittelalterliche Städtchen Brienza. Seine Struktur hat es über die Jahrhunderte bewahrt. Leider ist der Zugang zum restaurierten mittelalterlichen Kern, der sich in Restauration befindet, zeitlich sehr begrenzt. Die Besichtigung muss angemeldet werden. Diese steinige Kulisse wird jeweils am ersten Augustwochenende für ein grosses Mittelalterfest mit Kostümen, Umzug und Musik genutzt.
Im benachbarten Bergdorf Sasso di Castalda, das übrigens am Rand des Skigebiets «Skisellata» liegt, lockt einen eine tibetanische Hängebrücke über eine Schlucht. Überquert werden kann sie nur angebunden:
Wir bleiben im Mittelalter. Ein Kontrast zum Bergstädtchen ist das Kloster Certosa di San Lorenzo di Padula im Vallo di Diano. Der etwas neuere Kreuzgang gilt als der grösste der Welt. Das Gebäude hat rund 320 Räume.
Paestum
Über die A2 fahren wir zurück zum Meer. Der Sandstrand von Paestum ist über 20 km lang. Vom Land ist er durch einen Pinienwald getrennt. An Unterkünften mangelt es hier nicht, denn das Angebot von Hotels aller Klassen ist gross. Unser Focus gilt den drei griechischen Tempeln von Paestum.
Cilento
Der schönste Abschnitt unserer Rundreise ist die Fahrt entlang der Cilento-Küste von Agropoli bis Maratea. Unterbrochen wird die Felsküste durch Buchten und Taleinschnitte, an welchen einen malerische Strände und Dörfer einen zum Halt überreden. Man sollte jedoch dem Teufelchen widerstehen und den mahnenden Engelchen folgen, da die Zeit leider begrenzt ist. Der Vorteil der Kieselstrände hier ist, dass man nach spontanen Badehalten nicht immer gleiche den halben Strand mit ins Auto nimmt. Dia Fahrt geht durch Sapri. Ist zufällig Freitag, sollte gehalten werden, denn der Mercato ist gross und die Preise sind so tief, dass man sich fragt, wer denn daran noch verdient.
Eine halbe Stunde weiter erreichen wir Maratea, dessen Statue hoch über dem Meer sich gut als Cristo von Rio de Janeiro verkaufen lässt.
Mehr über diese Rundreise in meinem Artikel, den ich für EDELWEISS verfasst habe
Mehr über Basilicata und Campania
Fotos: Markus Tofalo