Vilnius, Litauen
Land im Aufbruch
Dort wo Europa aufzuhören scheint, sich Hasen und Füchse gute Nacht wünschen, liegt Lietuva, im deutschen Sprachraum auch Litauen genannt. Dessen Hauptstadt Vilnius gilt als neuer Geheimtipp für Städtetrips.
Mit 553’000 Einwohnern ist Vilnius zugleich die grösste Stadt des Landes. Obwohl sie Hauptstadt ist, wirkt sie durch die Überschaubarkeit des Zentrums sehr provinziell. Doch genau dies ist der Reiz an Vilnius, denn trotzdem findet sich hier das Kultur-, Shopping- und Ausgangangebot einer mittleren Metropole.
Stadtmauer von Vilnius mit dem Aušros vartai, dem Tor der Morgenröte
Das Klima ist gemässigt. Die Wahrzeichen der Stadt sind die Ruine der Burg von Gediminas sowie die klassizistische Kathedrale St.Stanislaus. Die Altstadt zählt zu besterhaltendsten Europas. Seit 1994 gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt hat weder U-Bahn noch Tram. Es verkehren lediglich Busse und Maršrutka genannte Linientaxis. Das eher dürftig ausgebaute Netz des öffentlichen Verkehres Litauens bedingt jedoch innerhalb der Stadt viele – allerdings kurze – Fussmärsche oder Taxifahrten. Zudem ist Vilnius Ausgangspunkt verschiedener Ausflugsmöglichkeiten. Für Stadtfluchten empfehlen sich Mietwagen. Ziele gibt es viele: Da wäre der im Sommer herrliche Ostseestrand mit der Stadt Klaipėda. Zum Baden empfiehlt sich Nida, an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Der Küste entlang wurde kürzlich der erste Radweg des Landes gebaut. In dieser Gegend trifft man auch öfters auf Bernsteinspuren. Für Bahnliebhaber ist die Die Schmalspurbahn Anykščiai – Rubikiai lockt zu einem romantischen Ausflug mit dem Siaurukas, wie die Litauer ihr Technikdenkmal nennen, oder mit der Motordraisine an den wunderschönen See Rubikiai.
Der Aukštaitija-Nationalpark (40570 ha) ist schon dreissig Jahre lang bekannt als das wichtigste Landesarsenal für Ökotourismus und berühmt durch seinen Wassersport. Dieses Territorium zieht die Besucher durch seine klaren Seen mit malerischen Verbindungsarmen, ethnographischen Dörfern, ausdrucksvollen Bodenformen, Vielfalt der Wälder und Naturharmonie an – ein wahres Paradies.
Der See Praviršulis
Wie Vilnius hat auch Kaunas eine komplett erhaltene Altstadt. Nur wenige Kilometer östlich von Vilnius befindet sich die Landesgrenze zu Belarus, Europas letztem totalitärem Staat. Ausflüge in dessen ebenfalls unweit gelegene Hauptstadt Minsk sind wie eine Reise in vergessen geglaubte Zeiten der ehemaligen Sovjetunion. Diese hat auch Litauen geprägt, auch wenn man sich bei der Beseitigung ihrer Spuren besonders viel Mühe gab. Russisch gilt bei über 35-jährigen noch als Lingua Franca. Bei jüngeren übernimmt das Englische diese Rolle. Schätzungen zufolge leben oder arbeiten etwa 200’000 Litauer im westlichen Ausland. Trotz des umfassenden Elektrizitätsnetzwerks sind etwa 200 litauische Dörfer bisher nicht elektrifiziert.
Litauen hat eine bewegte Geschichte. In seiner grössten Ausdehnung reichte das litauische Reich bis ans Schwarze Meer und umfasste die heutige Ukraine und Belarus. Dies liegt jedoch 600 Jahre zurück. Danach wurde das Land wechselweise von Russland und Preussen bzw. Deutschland besetzt, wobei auf die litauische Kultur nicht besonders Rücksicht genommen wurde. 1863 verbot der russische Zar die litauische Sprache und zwang dem Volk das kyrillische Alphabet auf. Erst nach dem ersten Weltkrieg erreichte Litauen wieder seine Unabhängigkeit, allerdings in engen Grenzen. Vilnius wurde von Polen eingenommen.
Vilnius ist reich an Sakralbauten aus jeder Epoche
Mit der Eroberung durch Deutschland 1939 fand diese erste litauische Republik nach knapp 20 Jahren bereits wieder ein Ende. Später im 2. Weltkrieg wurde das Land von der Sovjetunion einverleibt. Knapp 200’000 litauische Juden verloren im 2. Weltkrieg das Leben und fast 500'000 weitere Litauer wurden von den Sovjets in die Gulags verschleppt. Dafür wurde das Land systematisch durch Russen besiedelt. Wieder wurde die kyrillische Schrift eingeführt. Es kam zu einer beispiellosen Säuberungswelle. Über eine Million Litauer verliessen ihre Heimat und hielten die litauische Kultur bis zum Ende der Sovjetunion vom Exil aus am Leben.
Der Niedergang des Kommunismus wurde nicht zuletzt durch Litauen beschleunigt. Als sich das Land 1990 erneut für unabhängig erklärte, fuhren russische Panzer in Vilnius ein. Dabei starben insgesamt 14 unbewaffnete Zivilisten, die Parlament und Fernsehturm verteidigten, über 1000 wurden verletzt. Der Putsch misslang. In der Folge wurde Litauen als erste ehemalige Sovjetrepublik von den meisten westlichen Ländern als unabhängig.
Seit der Unabhängigkeit 1992 boomt Vilnius.
Politisch: Lietuvos Respublika, Mitglied der EU
Amtssprache: Lietuviškai (Litauisch)
Hauptstadt: Vilnius
Staatsform: Republik
Fläche: 65’301 km²
Einwohner: 3'384'813, 52 Einwohner pro km²
Währung: Lita
In Vilnius gibt’s auch ein Spielcasino mit integrierter Discothek
Die litauische Küche ist reich an Kartoffelgerichten
Nachts laden in Vilnius Clubs zum abfeiern ein.